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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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hast gelauscht?«
    »Was habe ich Ihnen eben gesagt?« rief Katerina Nikolajewna, indem sie vom Sofa aufstand und auf mich zeigte.
    Ich geriet ganz außer mir.
    »Lüge, Unsinn!« unterbrach ich sie wütend. »Sie haben mich eben einen Spion genannt, o Gott! Lohnt es etwa dieMühe, um solche Menschen wie Sie herumzuspionieren oder überhaupt neben ihnen zu leben? Ein hochherziger Mensch endet durch Selbstmord; Krafft hat sich erschossen um der Idee willen, um Hekubas willen ... Aber was ist Ihnen Hekuba! ... Und hier – soll man nun weiterleben inmitten Ihrer Intrigen, umherwanken zwischen Ihren Lügen und Betrügereien und Fallgruben ... Genug davon, genug!«
    »Geben Sie ihm eine Maulschelle! Geben Sie ihm eine Maulschelle!« schrie Tatjana Pawlowna; da jedoch Katerina Nikolajewna mich zwar unverwandt ansah (ich habe das alles bis auf die kleinsten Nebenumstände im Gedächtnis), sich aber nicht vom Fleck rührte, so hätte Tatjana Pawlowna sicherlich im nächsten Augenblick selbst ihren Rat zur Ausführung gebracht, so daß ich unwillkürlich den Arm in die Höhe hob, um mein Gesicht zu schützen. Sie aber faßte diese Bewegung so auf, als ob ich selbst ausholte.
    »Schlag nur zu, schlag nur zu! Beweise es nur, daß du von deiner Geburt an ein Knecht bist! Du bist stärker als wir Frauen, warum genierst du dich da noch?«
    »Schluß jetzt mit Ihren Verleumdungen, Schluß damit!« rief ich. »Ich habe noch nie die Hand gegen ein Weib erhoben! Sie sind unverschämt gegen mich, Tatjana Pawlowna; Sie haben mich immer verachtet. Oh, man muß mit den Menschen verkehren, ohne ihnen irgendwelche Achtung zu zollen! Sie lachen, Katerina Nikolajewna, wahrscheinlich über meine Gestalt; ja, Gott hat mir keine solche Gestalt gegeben, wie Ihre Adjutanten sie haben. Und dennoch fühle ich mich Ihnen gegenüber nicht als ein niedrigeres Wesen, sondern ganz im Gegenteil als höher stehend ... Nun, ganz gleich, wie man es ausdrücken mag; jedenfalls trifft mich keine Schuld! Ich bin nur zufällig hierhergeraten, Tatjana Pawlowna; Schuld trägt einzig und allein Ihre Finnin oder, richtiger gesagt, Ihre Passion für dieses Frauenzimmer: warum hat sie mir auf meine Frage nicht geantwortet, sondern mich einfach hier eintreten lassen? Und nachher – darin werden Sie mir selbst recht geben müssen – erschien es mir dermaßen monströs, aus dem Schlafzimmer einer Frau herauszuspringen, daß ich mich lieber dazu entschloß, Ihre schändlichen Beleidigungenschweigend zu ertragen als mich zu zeigen ... Sie lachen schon wieder, Katerina Nikolajewna?«
    »Mach, daß du hinauskommst; mach, daß du hinauskommst, hinaus mit dir!« schrie Tatjana Pawlowna und versetzte mir beinahe Stöße. »Achten Sie nicht auf sein Geschwätz, Katerina Nikolajewna; ich habe Ihnen ja gesagt, daß ihm schon von dort das Zeugnis der Verrücktheit ausgestellt ist!«
    »Das Zeugnis der Verrücktheit? Von wo hat man Ihnen das geschrieben? Wer hätte Ihnen das schreiben können und von wo? Aber es ist ja ganz egal; genug davon, Katerina Nikolajewna! Ich schwöre Ihnen bei allem, was heilig ist, dieses Gespräch und alles, was ich gehört habe, wird unter uns bleiben ... Was kann ich dafür, daß ich Ihre Geheimnisse erfahren habe? Das wird um so weniger bedenklich sein, als ich schon morgen meine Tätigkeit bei Ihrem Vater einstelle, so daß Sie hinsichtlich des Schriftstücks, das Sie suchen, beruhigt sein können!«
    »Was heißt das? ... Von was für einem Schriftstück reden Sie?« fragte Katerina Nikolajewna erschrocken, und zwar so erschrocken, daß sie ganz blaß wurde, oder vielleicht kam es mir nur so vor. Ich merkte, daß ich schon zuviel gesagt hatte.
    Ich ging schnell hinaus; sie verfolgten mich schweigend mit den Augen, und in ihren Blicken drückte sich der höchste Grad des Erstaunens aus. Kurz, ich hatte ihnen ein Rätsel aufgegeben.

Neuntes Kapitel
     
I
     
    Ich eilte nach Hause und war wunderbarerweise mit mir sehr zufrieden. Natürlich spricht man so nicht mit Damen, und schon gar nicht mit solchen Damen – richtiger gesagt, mit einer solchen Dame, denn Tatjana Pawlowna rechnete ich nicht mit. Vielleicht darf man einer Dame dieser Art nie ins Gesicht sagen: »Ich pfeife auf Ihre Intrigen«, aber ich hatte es gesagt und war gerade damit sehr zufrieden. Vom übrigen ganz zu schweigen, hatte ich, wenigstens nach meinerÜberzeugung, durch diesen Ton alles Lächerliche ausgewischt, das in meiner Situation gelegen hatte. Aber sehr viel darüber

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