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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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mit Festons verziert; aber davon erschien das Zimmer noch einmal so dunkel und glich dem Innern eines Reisewagens. In dem Zimmer, in welchem ich wartete, konnte man sich noch allenfalls umdrehen, obgleich alles mit Möbeln vollgestopft war; beiläufig bemerkt: es waren sehr schöne Möbel: da waren allerlei Tischchen mit eingelegter Arbeit und Bronzeverzierungen, hübsche Schatullen, ein eleganter, kostbarer Toilettentisch. Aber das folgende Zimmerchen, aus dem sie, wie ich meinte, herauskommenmußte, das Schlafzimmer, das von diesem Zimmer durch einen dichten Vorhang abgetrennt war, wurde, wie sich nachher herausstellte, vollständig durch ein Bett ausgefüllt. Alle diese Einzelheiten sind zu wissen notwendig, damit man die Dummheit verstehen kann, die ich nun machte.
    Ich wartete also, ohne daß mir irgendein Zweifel gekommen wäre; da ertönte die Klingel. Ich hörte, wie die Köchin mit langsamen Schritten über den Flur ging und schweigend, gerade wie vorher mich, die Ankömmlinge hereinließ. Dies waren zwei Damen, die laut miteinander sprachen, aber wie groß war mein Erstaunen, als ich an den Stimmen in der einen Tatjana Pawlowna erkannte und in der anderen eben jene Frau, der jetzt zu begegnen ich am allerwenigsten vorbereitet war, und noch dazu unter solchen Umständen! Ein Irrtum war nicht möglich: ich hatte diese klangreiche, kräftige, metallische Stimme am vorhergehenden Tag allerdings nur drei Minuten lang gehört, aber ihr Ton haftete in meiner Seele. Ja, das war »die Frau von gestern«. Was sollte ich tun? Ich lege diese Frage keineswegs dem Leser vor; ich vergegenwärtige mir nur den damaligen Augenblick und bin auch jetzt absolut nicht imstande, zu erklären, wie es zuging, daß ich auf einmal hinter den Vorhang sprang und mich in Tatjana Pawlownas Schlafzimmer befand. Kurz gesagt, ich versteckte mich und hatte das Zimmer kaum verlassen, als die beiden Damen eintraten. Warum ich ihnen nicht entgegenging, sondern mich versteckte, das weiß ich nicht; alles begab sich von ungefähr und ohne die geringste Überlegung.
    Als ich in das Schlafzimmer gesprungen und gegen das Bett angerannt war, merkte ich sofort, daß von dem Schlafzimmer eine Tür nach der Küche führte; es gab also noch einen Ausweg aus der peinlichen Lage, und ich hatte die Möglichkeit, mich ganz und gar davonzumachen, aber – o Schrecken! – die Tür war verschlossen, und der Schlüssel steckte nicht. Voller Verzweiflung sank ich auf das Bett; es stand mir klar vor Augen, daß ich jetzt würde den Horcher spielen müssen, und schon aus den ersten Worten, aus den ersten Sätzen des Gesprächs konnte ich entnehmen, daß es sich um einen geheimen, heiklen Gegenstand handelte.O natürlich, ein ehrenhafter, anständig denkender Mensch mußte auch jetzt noch aufstehen, hinaustreten, laut sagen: »Ich bin hier, halten Sie ein!« und trotz seiner komischen Situation an ihnen vorbei und davongehen; aber ich stand nicht auf und trat nicht hinaus, ich wagte es nicht; ich benahm mich in schmählichster Weise feige.
    »Meine liebe Katerina Nikolajewna, Sie betrüben mich wirklich sehr«, sagte Tatjana Pawlowna in bittendem Ton. »Beruhigen Sie sich doch ein für allemal; das paßt ja auch gar nicht zu Ihrem ganzen Wesen. Überall, wo Sie sind, herrscht Freude, und nun auf einmal ... Aber mir, denke ich, werden Sie auch weiter Vertrauen schenken; Sie wissen ja doch, wie sehr ich Ihnen ergeben bin. Ich hänge an Ihnen nicht weniger als an Andrej Petrowitsch, denn daß ich dem lebenslänglich ergeben sein werde, das verheimliche ich nicht ... Na, also glauben Sie mir, ich gebe Ihnen mein Wort darauf, dieses Schriftstück befindet sich nicht in seinen Händen und vielleicht in niemandes Händen; er ist auch zu solchen Intrigen gar nicht fähig, es ist eine Sünde von Ihnen, ihn in Verdacht zu haben. Diese Feindschaft ist weiter nichts als ein Hirngespinst, das Sie sich beide selbst ersonnen haben ...«
    »Das Schriftstück ist vorhanden, und er ist zu allem fähig. Und was sagen Sie dazu: gestern komme ich herein, und das erste, was ich sehe, ist ce petit espion, den er dem Fürsten angehängt hat.«
    »Ach was, ce petit espion! Erstens ist er überhaupt kein Spion, denn ich, ich selbst habe darauf gedrungen, daß er die Anstellung beim Fürsten bekam, sonst wäre er in Moskau übergeschnappt oder verhungert, so ist uns von dort aus über ihn berichtet worden; und was die Hauptsache ist: dieser unartige Junge ist ein vollständiger kleiner

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