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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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und zwei wache ich auf und höre, daß Olga sich im Bette herumdreht. ›Schlafen Sie nicht, Mamachen?‹ – ›Nein‹, antworte ich, ›ich schlafe nicht.‹ – ›Wissen Sie‹, sagt sie, ›er hat mich doch beleidigen wollen.‹ – ›Was redest du, was redest du?‹ – ›Es ist bestimmt so‹, sagt sie, ›er ist ein gemeiner Mensch; keineKopeke von seinem Geld dürfen Sie ausgeben!‹ Ich wollte ihr zureden und fing sogar in meinem Bett an zu weinen – aber sie drehte sich nach der Wand um: ›Schweigen Sie still‹, sagt sie, ›und lassen Sie mich schlafen!‹ Am Morgen sehe ich nach ihr hin; sie geht umher und sieht ganz entstellt aus; und ob Sie es mir nun glauben oder nicht, aber ich sage es, wie vor dem Gericht Gottes: sie hatte nicht mehr ihren Verstand! Gleich von der Zeit an, wo sie in diesem unanständigen Hause beleidigt worden war, war ihr Herz irre geworden ... und auch ihr Verstand. Ich sehe sie an diesem Morgen an und weiß gar nicht, was ich denken soll; es war mir unheimlich; ich denke: ›Ich will ihr mit keinem Wort widersprechen.‹ – ›Seine Adresse hat er uns nicht hiergelassen, Mamachen‹, sagt sie. – ›Schäme dich, Olga‹, sage ich, ›du hast ihn doch selbst gestern vertrauensvoll angehört und ihn dann selbst gelobt, und du warst nahe daran, vor Dankbarkeit Tränen zu vergießen.‹ Kaum hatte ich das gesagt, da kreischte sie auf und stampfte mit dem Fuße: ›Sie haben eine gemeine Denkweise‹, sagt sie, ›Sie sind noch in der alten Zeit aufgewachsen, in der Zeit der Leibeigenschaft!‹ – Und ich mochte sagen, was ich wollte, sie ergriff ihren Hut und lief hinaus, und ich rief ihr noch nach. ›Was hat sie nur?‹ denke ich, ›wo ist sie hingelaufen?‹ Sie war aber nach dem Adreßbüro gelaufen, hatte sich dort erkundigt, wo Herr Wersilow wohnt, und als sie zurückkam, sagte sie: ›Gleich heute bringe ich ihm sein Geld zurück und schleudere es ihm ins Gesicht; er hat mich ebenso beleidigen wollen wie Safronow‹ (das ist unser Kaufmann), ›nur hat mich Safronow wie ein grober Bauer beleidigt, und er wie ein hinterhältiger Jesuit.‹ Und da klopfte gerade unglücklicherweise dieser Herr von gestern bei uns an. ›Ich höre‹, sagt er, ›daß hier von Wersilow die Rede ist; über den kann ich Ihnen Auskunft geben.‹ Sowie sie den Namen Wersilow hörte, stürzte sie auch schon wie eine Rasende auf ihn los und redet und redet; ich sehe sie an und staune: sie war sonst immer so schweigsam gewesen und hatte mit niemandem so geredet, und nun redete sie so, und noch dazu mit einem ganz unbekannten Menschen! Die Wangen brannten ihr, und ihre Augen funkelten ... Er aber sagte auch noch: ›Sie haben ganz recht, mein Fräulein; Wersilow ist genauvon derselben Sorte wie manche Generäle hier in Petersburg, von denen in den Zeitungen geschrieben steht; so ein General legt all seine Orden an und geht bei allen Gouvernanten umher, die sich in den Zeitungen anzeigen; so geht er herum und findet, was er wünscht; und wenn er an einer Stelle nicht findet, was er wünscht, so sitzt er ein Weilchen da und redet und macht die schönsten Versprechungen und geht wieder weg; so hat er sich doch wenigstens einen kleinen Spaß gemacht.‹ Olga lachte sogar auf, aber es klang so böse. Und ich sehe, wie dieser Herr ihre Hand erfaßt und an sein Herz zieht: ›Mein Fräulein‹, sagt er, ›ich besitze selbst eigenes Vermögen und könnte jeden Augenblick einem schönen Mädchen einen Antrag machen; aber lieber‹, sagt er, ›möchte ich vorher nur das allerliebste Händchen küssen ...‹, und ich sehe, wie er ihre Hand an die Lippen zieht, um sie zu küssen. Wie sprang sie da auf, und ich zugleich, und da haben wir ihn beide hinausgejagt. Gegen Abend nahm mir Olga das Geld weg und lief damit fort, und als sie wiederkommt, sagt sie: ›Ich habe mich an dem ehrlosen Menschen gerächt, Mamachen!‹ – ›Ach, Olga, Olga‹, sage ich, ›vielleicht haben wir unser Glück zerstört und du hast einen edlen, wohltätigen Menschen beleidigt!‹ Vor Ärger über sie fing ich an zu weinen, ich konnte mich nicht halten. Da schreit sie mich an: ›Ich will nicht, ich will nicht! Und wenn er der ehrenhafteste Mensch von der Welt ist, auch dann will ich kein Almosen von ihm! Auch daß mich jemand bemitleidet, auch das will ich nicht!‹ Ich legte mich schlafen und dachte weiter an nichts Schlimmes. Wie oft habe ich den Nagel in der Wand betrachtet, der von einem Spiegel da steckengeblieben ist

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