Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
Vom Netzwerk:
Stebelkow umwandte; aber Stebelkow hielt diesen Blick aus, als sei nichts geschehen, und dachte gar nicht daran, sich in den Hintergrund zurückzuziehen, sondern setzte sich ungeniert auf das Sofa und fuhr sich mitder Hand in die Haare, wahrscheinlich um seine Unbekümmertheit zu zeigen. Er machte sogar eine wichtige Miene; kurz, er war geradezu unmöglich. Was mich betrifft, so verstand ich natürlich auch damals schon, mich zu benehmen, und hätte gewiß niemandem Schande gemacht, aber wie groß war mein Erstaunen, als ich denselben fassungslosen, kläglichen, ingrimmigen Blick des Fürsten auch auf mich gerichtet sah: er schämte sich also wegen uns beiden und stellte mich mit Stebelkow auf gleiche Stufe. Dieser Gedanke machte mich wütend; ich streckte mich auf dem Sofa noch bequemer aus und begann in einem Buch zu blättern, wobei ich ein Gesicht machte, als kümmerte ich mich um alles andere nicht im geringsten. Stebelkow dagegen riß die Augen auf, beugte sich vor und hörte dem Gespräch der beiden aufmerksam zu, wahrscheinlich in dem Glauben, daß das höflich und liebenswürdig sei. Der Gast blickte ein paarmal nach Stebelkow hin; nach mir übrigens auch.
    Sie sprachen von Familienneuigkeiten; dieser Herr hatte früher einmal die Mutter des Fürsten gekannt, die aus einer vornehmen Familie stammte. Soviel ich wahrnehmen konnte, war der Gast trotz seines liebenswürdigen Benehmens und der scheinbaren Offenherzigkeit seines Tones doch sehr affektiert und hatte natürlich von sich eine so hohe Meinung, daß er seinen Besuch als eine große Ehre für einen jeden, wer es auch sein mochte, betrachtete. Wäre der Fürst allein gewesen, das heißt ohne uns, so würde er – davon bin ich überzeugt – sich würdevoller und geschickter benommen haben; so aber verrieten ein besonderes Zucken in seinem vielleicht gar zu liebenswürdigen Lächeln und eine gewisse sonderbare Zerstreutheit, was in seinem Innern vorging.
    Sie hatten noch nicht fünf Minuten gesessen, als noch ein Besuch gemeldet wurde und unglücklicherweise wieder ein kompromittierender. Diesen Herrn kannte ich gut und hatte von ihm schon viel gehört, obgleich er mich gar nicht kannte. Es war ein noch sehr junger Mensch – übrigens war er doch schon etwa dreiundzwanzig Jahre alt –, vortrefflich gekleidet, aus guter Familie und von schönem Äußern; aber – er gehörte zweifellos zur schlechten Gesellschaft. Im Jahre vorher war er noch Offizier in einem der vornehmstenGardekavallerie-Regimenter gewesen, aber er war genötigt worden, selbst um den Abschied einzukommen, und alle wußten, aus welchen Gründen. Seine Verwandten hatten sogar in den Zeitungen eine Bekanntmachung erlassen, daß sie für seine Schulden nicht aufkämen, aber er setzte sein ausschweifendes Leben immer noch fort, indem er sich Geld zu zehn Prozent monatlich verschaffte, in den Spielgesellschaften rasend spielte und für eine bekannte kleine Französin große Summen verschwendete. Die Sache war die, daß er vor einer Woche das Glück gehabt hatte, an einem Abend zwölftausend Rubel zu gewinnen, und nun triumphierte. Mit dem Fürsten stand er auf freundschaftlichem Fuß: sie spielten häufig zusammen auf gemeinsame Rechnung; aber der Fürst zuckte ordentlich zusammen, als er ihn erblickte, ich bemerkte das von meinem Platz aus. Denn dieser junge Mann benahm sich überall, als wäre er bei sich zu Hause, redete, ohne sich irgendwie zu genieren, laut und lustig, was ihm in den Sinn kam, und natürlich konnte er gar nicht auf den Gedanken kommen, daß unser Wirt wegen der Bekanntschaft mit ihm so vor seinem vornehmen Gast zitterte.
    Sowie er eingetreten war, unterbrach er das Gespräch der beiden und begann sogleich von dem Spiel des vorhergehenden Tages zu erzählen, sogar noch ehe er sich gesetzt hatte.
    »Sie waren ja wohl auch da?« wandte er sich gleich beim dritten Satz, den er sprach, an den vornehmen Gast, den er für einen seiner Spielkumpane hielt; indes aber bemerkte er seinen Irrtum sofort und rief: »Ach, entschuldigen Sie, ich glaubte, Sie wären einer der Herren von gestern!«
    »Alexej Wladimirowitsch Darsan, Ippolit Alexandrowitsch Naschtschokin«, beeilte sich der Fürst die beiden einander vorzustellen. Diesen jungen Mann konnte man doch wenigstens vorstellen, da er aus einer guten, bekannten Familie war, uns aber hatte er vorher nicht vorgestellt, und wir saßen immer noch in unsern Winkeln. Ich wollte durchaus nicht den Kopf zu ihnen hindrehen, aber Stebelkow

Weitere Kostenlose Bücher