Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
Vom Netzwerk:
zu dem Schluß gelangt, daß Baron Bjoring mit Ihnen absolut nicht ... auf der Basis der Gleichberechtigung verkehren kann.«
    »Eine solche Entscheidung der Frage ist natürlich für Ihren Freund, den Baron Bjoring, die vorteilhafteste, und ich muß gestehen, Sie haben mich dadurch ganz und gar nicht in Erstaunen versetzt: ich hatte das erwartet.«
    Ich bemerke in Klammern: gleich bei den ersten Worten und beim ersten Blick hatte ich deutlich erkannt, daß Wersilow absichtlich einen heftigen Zusammenstoß herbeizuführen suchte, diesen nervösen Baron herausforderte und reizte und seine Geduld auf eine vielleicht gar zu harte Probe stellte. Der Baron krümmte sich ordentlich zusammen.
    »Ich habe gehört, daß Sie witzig sein können, aber Witz ist noch nicht Verstand.«
    »Eine sehr tiefsinnige Bemerkung, Oberst.«
    »Ich habe Sie nicht gebeten, mich zu loben«, schrie der Baron, »und bin nicht hergekommen, um leeres Stroh zu dreschen! Hören Sie einmal zu: Baron Bjoring war, als er Ihren Brief erhielt, sehr in Zweifel, was er tun sollte, da dieser Brief zeigte, daß der Schreiber für das Irrenhaus reif ist. Und natürlich hätten sich sogleich Mittel finden lassen, um Sie zu ... beruhigen. Aber auf Grund gewisser besonderer Erwägungen übte man gegen Sie Nachsicht, und es wurden Erkundigungen über Sie eingezogen: es ergab sich, daß Sie zwar einmal zur guten Gesellschaft gehört und bei der Garde gedient haben, daß Sie aber dann aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurden und in einem mehr als zweifelhaften Rufe stehen. Indessen ging ich trotzdem hierher, um die Sache persönlich festzustellen, und nun erlauben Sie sich noch zu allem andern, ein Wortgeklingel zu machen, und erklären selbst, daß Sie gewissen Anfällen unterworfen seien ... Nun genug! Mit Rücksicht auf seinen Stand und auf seine Reputation kann Baron Bjoring sich in dieser Sache nicht so tief herablassen ... Kurz, mein Herr, ich bin bevollmächtigt, Ihnen zu eröffnen, daß, wenn in Zukunft eine Wiederholung Ihres jetzigen Benehmens oder auch nur etwas Ähnliches stattfinden sollte, man unverzüglich Mittel finden wird, um Sie zur Ruhe zu bringen, sehr schnell und zuverlässig wirkende Mittel, wie ich Ihnen versichern kann. Wir leben nicht wie die Tiere im Wald, sondern in einem wohlgeordneten Staat!«
    »Sind Sie davon so fest überzeugt, mein guter Baron R.?«
    »Hol's der Teufel!« rief der Baron, plötzlich aufstehend, »Sie führen mich sehr in Versuchung, Ihnen sofort zu beweisen, daß ich keineswegs Ihr ›guter Baron R.‹ bin!«
    »Ach, ich möchte Sie noch einmal darauf aufmerksam machen«, versetzte Wersilow, sich ebenfalls erhebend, »daß sich meine Frau und meine Tochter hier in der Nähe befinden ... ich möchte Sie daher bitten, nicht so laut zu sprechen, weil Ihr Geschrei zu ihnen dringen könnte.«
    »Ihre Frau ... ach was! ... Wenn ich jetzt hier gesessen und mit Ihnen geredet habe, so habe ich das einzig und allein in der Absicht getan, diese widerwärtige Geschichteklarzustellen«, fuhr der Baron ebenso zornig wie vorher, und ohne seine Stimme nur im geringsten zu dämpfen, fort.
    »Genug nun!« schrie er wütend. »Sie sind nicht nur aus dem Kreis der anständigen Menschen ausgeschlossen worden, sondern Sie sind auch ein Irrer, ein richtiger geistesgestörter Irrer, und haben sich dieses Zeugnis selbst ausgestellt! Sie verdienen keine Nachsicht, und ich erkläre Ihnen, daß man noch heute in bezug auf Sie die erforderlichen Maßnahmen ergreifen und Sie an einen Ort schaffen wird, wo man schon verstehen wird, Sie wieder zur Vernunft zu bringen ... Sie werden aus der Stadt hinausgebracht werden!«
    Mit schnellen, großen Schritten verließ er das Zimmer. Wersilow begleitete ihn nicht. Er stand da und sah mich zerstreut an, anscheinend ohne mich überhaupt zu bemerken; auf einmal lächelte er, schüttelte seine Haare zurück, ergriff seinen Hut und schritt ebenfalls zur Tür. Ich ergriff ihn bei der Hand.
    »Ach ja, du bist auch da? Du hast es ... mit angehört?« Er blieb vor mir stehen.
    »Wie konnten Sie das tun? Wie konnten Sie die Sache so verdrehen, mich so bloßstellen! ... In einer so heimtückischen Weise!«
    Er sah mich unverwandt an, aber sein Lächeln wurde immer breiter und ging zuletzt geradezu in ein Lachen über.
    »Ich bin beschimpft worden ... in ihrer Gegenwart! In ihrer Gegenwart! Vor ihren Augen bin ich ausgelacht worden, und er ... hat mir einen Stoß versetzt!« schrie ich ganz außer

Weitere Kostenlose Bücher