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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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Laufe des Tages auch die bekannten »Folgen« seines Schrittes erwarten und hatte deshalb die entsprechenden Maßregeln getroffen: am Morgen hatte er Mama und Lisa (die, wie ich nachher erfuhr, schon am Morgen, weil sie sich krank fühlte, zurückgekehrt war und sich ins Bett gelegt hatte) nach oben, in den »Sarg«, umquartiert; die Zimmer aber, und namentlich unser »Salon«, waren mit besonderer Sorgfalt aufgeräumt und ausgefegt worden. Und tatsächlich erschien bei ihm um zwei Uhr nachmittags ein Baron R., Oberst, etwa vierzigjährig, von deutscher Abstammung, hochgewachsen, hager, anscheinend von bedeutender Körperkraft, ebenfalls mit rötlichem Haar wie Bjoring, nur ein wenig kahlköpfig. Er war einer jener Barone R., deren es im russischen Heer sehr viele gibt, lauter Leute, die auf ihren Stand als Barone sehr stolz sind, gar kein Vermögen besitzen, nur von ihrem Gehalt leben, einen großen Diensteifer entwickeln und im Regiment ihren Mann stehen. Den Anfang ihrer Auseinandersetzungenhörte ich nicht mehr mit; beide waren sehr lebhaft – und wie hätten sie es auch nicht sein sollen! Wersilow saß am Tisch auf dem Sofa, der Baron zur Seite auf einem Lehnstuhl. Wersilow war blaß, aber er sprach mit Selbstbeherrschung, den Mund nur wenig öffnend; der Baron dagegen redete sehr laut; er neigte sichtlich zu heftigen Gesten, und hielt sich nur mit Anstrengung zurück, aber er machte ein strenges, hochmütiges, sogar verächtliches Gesicht, das jedoch auch eine gewisse Verwunderung erkennen ließ. Als er mich erblickte, zog er finster die Augenbrauen zusammen; Wersilow aber freute sich beinahe über mein Kommen.
    »Guten Tag, mein Lieber! Baron, das ist eben jener sehr junge Mensch, von dem in dem Brief die Rede ist, und seien Sie überzeugt, er wird uns nicht stören; seine Anwesenheit kann uns sogar nützlich werden.« (Der Baron sah mich geringschätzig an.) »Mein Lieber«, fügte Wersilow, sich zu mir wendend, hinzu, »ich freue mich sogar darüber, daß du gekommen bist; setz dich bitte in eine Ecke, bis ich mit dem Baron fertig bin! Seien Sie unbesorgt, Baron, er wird nur still in der Ecke sitzen.«
    Mir war das ganz gleichgültig, da ich meinen Entschluß bereits gefaßt hatte, und außerdem überraschte mich alles sehr; ich setzte mich schweigend in eine Ecke, möglichst tief in die Ecke hinein, und blieb so bis zum Ende des Gesprächs sitzen, ohne die Augen wegzuwenden und ohne mich zu rühren.
    »Ich wiederhole Ihnen noch einmal, Baron«, sagte Wersilow mit fester Stimme, jedes Wort in markanter Weise aussprechend, »daß ich Katerina Nikolajewna Achmakowa, an die ich diesen unwürdigen, krankhaften Brief geschrieben habe, nicht nur für das edelste Wesen, sondern auch für den Gipfel aller Vollkommenheit halte!«
    »Ein derartiger Widerruf Ihrer eigenen Worte klingt, wie ich Ihnen bereits bemerkt habe, wie eine neue Wiederholung derselben«, schrie der Baron. »Ihre Ausdrucksweise ist entschieden respektlos.«
    »Und doch wird es das richtigste sein, wenn Sie meine Worte in ihrem buchstäblichen Sinne auffassen. Sehen Sie, ich leide an Anfällen und ... allerlei Störungen und machesogar eine Kur dagegen; so ist es auch gekommen, daß ich in einem solchen Augenblick ...«
    »Diese Erklärungen gehören absolut nicht hierher. Ich muß Ihnen immer wieder und wieder bemerken, daß Sie unentwegt bei Ihrer fehlerhaften Behandlung der Sache beharren; vielleicht tun Sie das sogar mit Absicht. Ich habe Sie schon gleich zu Anfang darauf aufmerksam gemacht, daß die ganze diese Dame betreffende Frage, das heißt die Frage Ihres Briefes speziell an die Generalin Achmakowa, bei unserem jetzigen Gespräch vollständig ausscheiden muß; Sie aber kommen immer wieder darauf zurück. Baron Bjoring hat mich gebeten und beauftragt, nur das, was ihn dabei persönlich betrifft, ins reine zu bringen, das heißt Ihre dreiste Zustellung dieser »Abschrift« und dann Ihr Postskriptum, daß Sie zu jeder gewünschten Genugtuung bereit seien.«
    »Aber ich möchte meinen, dieses letztere ist schon ohne weitere Auseinandersetzungen klar.«
    »lch verstehe, ich höre. Sie bitten nicht einmal um Entschuldigung, sondern bleiben beharrlich bei Ihrer Erklärung, daß Sie zu jeder Genugtuung bereit seien. Aber das ist doch gar zu billig. Und darum halte ich in Anbetracht der Wendung, die Sie dem Gespräch hartnäckig geben wollen, mich schon jetzt für berechtigt, Ihnen meinerseits alles ungeniert auszusprechen, das heißt, ich bin

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