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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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Gedanken beschäftigt, fort, »alles ist zusammengestürzt, und die Zukunft birgt nur Schrecken ...« (NB. er war also nicht beim Fürsten Nikolai Iwanowitsch gewesen.) »Ich habe mit Shibelskij gesprochen; der Mensch ist unmöglich. Sehen Sie: zuerst muß man Geld haben, und dann werden wir sehen. Wenn aber die Beschaffung des Geldes nicht gelingt, dann ... Aber ich habe mir heute vorgenommen, an diesen Fall nicht zu denken. Heute wollen wir uns nur das Geld beschaffen; morgen werden wir dann das Weitere sehen, Ihr Spielgewinn von vorgestern ist noch unangerührt; auch nicht eine Kopeke habe ich davon genommen. Es fehlen nur drei Rubel an dreitausend. Nach Abzug Ihrer Schuld bekommen Sie dreihundertundvierzig Rubel zurück. Nehmen Sie sie und dazu noch siebenhundert, damit es tausend sind, und ich werde die übrigen zweitausend nehmen. Dann wollen wir uns bei Serschtschikow an die entgegengesetzten Enden des Tisches setzen und versuchen, zehntausend Rubel zu gewinnen, vielleicht erreichen wir etwas; und gewinnen wir nicht, dann ... Übrigens ist das das einzige, was mir noch übrigbleibt.«
    Er sah mich mit einem düsteren Blick an.
    »Ja, ja!« rief ich plötzlich, als wäre ich vom Tode auferstanden. »Wir wollen hinfahren. Ich habe nur auf Sie gewartet ...«
    Ich bemerke, daß ich während dieser Stunden auch nicht einen Augenblick an das Roulett gedacht hatte.
    »Aber das Gemeine, Unwürdige einer solchen Handlungsweise?« fragte der Fürst plötzlich.
    »Was meinen Sie damit? Daß wir zum Roulett hinwollen? Das ist doch das beste Mittel!« rief ich. »Geld ist die Hauptsache! Nur wir beide, Sie und ich, sind Heilige; dagegen hat Bjoring sich verkauft, und Anna Andrejewna hat sich verkauft, und Wersilow – haben Sie gehört, daß Wersilow irrsinnig ist? Irrsinnig, irrsinnig!«
    »Sind Sie nicht auch krank, Arkadij Makarowitsch? Sie haben so sonderbare Augen.«
    »Sagen Sie das, um ohne mich hinzufahren? Aber ich werde mich heute nicht von Ihnen trennen. Nicht ohneGrund habe ich die ganze Nacht vom Spiel geträumt. Fahren wir, fahren wir!« rief ich, als hätte ich damit auf einmal die Rettung aus allen Schwierigkeiten gefunden.
    »Nun gut, dann wollen wir hinfahren, obwohl Sie fiebern, aber dort ...«
    Er sprach nicht zu Ende. Sein Gesicht hatte einen unheimlichen, schrecklichen Ausdruck. Wir waren schon beim Hinausgehen.
    »Wissen Sie«, sagte er auf einmal und blieb in der Tür stehen, »daß es außer dem Spiel noch einen andern Ausweg aus der Not gibt?«
    »Was für einen?«
    »Einen fürstlichen.«
    »Was meinen Sie damit? Was meinen Sie damit?«
    »Das werden Sie später erfahren. Nur dies zu Ihrer Kenntnis: ich bin dieses Ausweges nicht mehr würdig, es ist dazu zu spät. Wir wollen hinfahren, aber denken Sie an das, was ich Ihnen gesagt habe? Probieren wir es mit dem Ausweg für Lakaien ... Ich weiß ganz genau, daß ich ganz bewußt und vollständig aus freiem Willen hinfahre und wie ein Lakai handle!«

VI
     
    Ich hatte es eilig, zum Roulett hinzukommen, als läge darin meine ganze Rettung, meine einzige Hilfe, und dabei hatte ich doch, wie schon gesagt, vor der Rückkehr des Fürsten an das Roulett gar nicht gedacht. Und ich fuhr ja nicht hin, um für mich, sondern um mit dem Geld des Fürsten für diesen zu spielen; ich kann nicht begreifen, was mich hinzog, aber es zog mich unwiderstehlich hin. Oh, niemals waren diese Menschen, diese Gesichter, diese Croupiers, diese Rufe beim Spiel, dieser ganze gemeine Saal bei Serschtschikow, niemals war mir all dies so ekelhaft, so abstoßend, so roh und trübselig erschienen wie diesmal! Ich entsinne mich sehr genau des schmerzlichen, traurigen Gefühls, das in diesen Stunden am Spieltisch ab und zu mein Herz ergriff. Aber warum ging ich nicht fort? Warum ertrug ich das, als hätte ich eine Aufgabe, ein Opfer, die Ausführung einer großen Tat auf mich genommen? Ich will nur sovielsagen: ich kann kaum von mir behaupten, daß ich damals bei gesundem Verstand gewesen wäre. Aber dabei hatte ich noch nie so umsichtig gespielt wie an diesem Abend. Ich war schweigsam, richtete alle meine Gedanken auf das Spiel, paßte genau auf und rechnete gewaltig; ich war geduldig und geizig und gleichzeitig schnell entschlossen in Augenblicken, die einen schnellen Entschluß verlangten. Ich hatte wieder bei Zero Platz genommen, das heißt wieder zwischen Serschtschikow und Afjerdow, der immer rechts von Serschtschikow zu sitzen pflegte; dieser Platz war mir widerwärtig, aber

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