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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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Wenn er mich wirklich verheiratet!‹
    Ich blieb von neuem stehen. Ich muß hier eine Dummheit bekennen (ich kann das tun, da sie schon längst der Vergangenheit angehört), ich muß bekennen, daß ich schon lange vorher hatte heiraten wollen – das heißt, ich hatte es nicht gewollt, und es wäre niemals geschehen (und es wird auch in Zukunft nicht geschehen, mein Wort darauf), aber ich hatte mir schon zu wiederholten Malen und schon lange vor jener Zeit in Gedanken ausgemalt, wie schön es wäre zu heiraten, das heißt, furchtbar oft hatte ich mir das ausgemalt, besonders jeden Abend vor dem Einschlafen. Das hatte bei mir schon in meinem sechzehnten Lebensjahr angefangen. Ich hatte auf dem Gymnasium einen gleichaltrigen Kameraden namens Lawrowskij – ein sehr angenehmer, stiller, netter Junge, der sich übrigens sonst durch nichts weiter auszeichnete. Ich unterhielt mich fast nie mit ihm. Da traf es sich, daß wir einmal beide allein zusammensaßen; er war sehr nachdenklich und sagte plötzlich zu mir: »Ach, Dolgorukij, wie denken Sie darüber, jetzt müßte man heiraten; wirklich, wann soll man heiraten, wenn man es jetzt nicht tut? Jetzt wäre gerade die beste Zeit, und doch geht es absolut nicht!« Und das sagte er so offenherzig. Und ich stimmte ihm von ganzem Herzen bei, denn ich hatte mir selbst schon derartige Gedanken gemacht. Darauf kamen wir mehrere Tage nacheinander zusammen und sprachen immer insgeheim über dieses Thema, und zwar nur über dieses allein. Dann aber, ich weiß nicht, wie es zuging, kamen wir auseinander, und diese Gespräche hörten auf. Ja; und seit jener Zeit fing ich an, mir das in Gedanken auszumalen. Das hätte ich natürlich nicht zu erwähnen brauchen; ich wollte nur zeigen, wie weit das manchmal zurückreicht ...
    ›Es gibt da nur einen einzigen ernsthaften Einwand‹,phantasierte ich weiter, während ich meinen Weg fortsetzte. ›Oh, natürlich kann der unbedeutende Unterschied in unserem Lebensalter kein Hindernis bilden, aber da ist noch etwas anderes: sie ist eine solche Aristokratin, und ich bin »einfach Dolgorukij«! Sehr unangenehm! Hm! Könnte Wersilow nicht, wenn er Mama heiratet, bei der Regierung um die Erlaubnis bitten, mich zu adoptieren ... sozusagen zur Belohnung für seine Verdienste? Er hat ja ein Amt bekleidet, folglich wird er auch Verdienste haben; er ist Friedensrichter gewesen ...‹ – »Oh, hol's der Teufel, was ist das von mir für eine Gemeinheit!«
    Das rief ich auf einmal laut aus und blieb zum drittenmal stehen, aber nun so, als ob ich auf meinem Platz zu Boden geschmettert wäre. Das ganze qualvolle Gefühl der Beschämung infolge des Bewußtseins, daß ich etwas so Schmachvolles wie die Änderung meines Familiennamens durch eine Adoption hatte wünschen können, dieser Verrat an meiner ganzen Kindheit – alles dies hatte beinahe in einem Augenblick meine ganze frühere gute Laune vernichtet, und meine ganze Freude zerflatterte wie Rauch. ›Nein, das werde ich keinem Menschen weitersagen‹, dachte ich unter starkem Erröten, ›daß ich etwas so Unwürdiges gedacht habe, das kommt daher, daß ich verliebt und dumm bin ... Nein, wenn Lambert in irgendeinem Punkt recht hat, so darin, daß heutzutage alle diese Narrheiten nicht mehr nötig sind und daß heutzutage, in unserem Zeitalter, die Hauptsache der Mensch selbst ist und dann sein Geld. Das heißt nicht das Geld, sondern die Macht des Menschen. Wenn ich mich mit einem solchen Kapital an die Verwirklichung meiner »Idee« mache, so wird nach zehn Jahren ganz Rußland in seinen Grundfesten erbeben, und ich werde mich an allen rächen. Mit ihr aber viele Umstände zu machen, dazu ist wirklich kein Anlaß, darin hat Lambert wieder recht. Sie wird Angst bekommen und mich einfach nehmen. Auf die einfachste, gemeinste Weise wird sie ja sagen und mich nehmen.‹ Mir fielen die Worte ein, die ich kurz vorher von Lambert gehört hatte: »Du weißt nicht, in was für einem elenden Kämmerchen das geschehen ist.«
    ›Auch das ist so‹, stimmte ich bei, ›Lambert hat in allen Punkten recht, er hat tausendmal mehr recht als ich undWersilow und alle Idealisten. Er ist ein Realist. Sie wird sehen, daß ich Charakterstärke besitze, und wird sagen: »Ah, er besitzt Charakterstärke!« Lambert ist ein Schurke und will weiter nichts als von mir dreißigtausend Rubel herausholen, aber doch ist er der einzige Freund, den ich habe. Eine andere Freundschaft gibt es nicht und kann es nicht geben; das haben

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