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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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Hause!« sagte sie und wollte die Tür gleich wieder zumachen.
    »Unsinn!« erwiderte ich und drängte mich mit Gewalt in das Vorzimmer hinein. »Das ist unmöglich! Makar Iwanowitsch ist gestorben.«
    »Wa–as!« hörte ich auf einmal Tatjana Pawlowna hinter der geschlossenen Tür zum Wohnzimmer aufschreien.
    »Er ist tot! Makar Iwanowitsch ist tot! Andrej Petrowitsch läßt Sie bitten, sofort hinzukommen!«
    »Du schwatzt wohl dummes Zeug ...«
    Der Riegel kreischte, aber die Tür wurde nur ein paar Fingerbreit geöffnet.
    »Was ist los? Erzähle!«
    »Ich weiß es selbst nicht, ich bin eben erst nach Hause gekommen, und da war er schon tot. Andrej Petrowitsch sagt: ein Herzschlag!«
    »Sofort, im Augenblick. Lauf, sage, daß ich kommen werde; geh doch, geh doch, geh doch! Na, was stehst du denn noch?«
    Aber ich hatte durch die Türspalte deutlich gesehen, daß auf einmal jemand hinter der Portiere hervorgekommen war, hinter der sich Tatjana Pawlownas Bett befand, und nun im Hintergrund des Zimmers hinter Tatjana Pawlowna stand. Mechanisch und instinktiv griff ich nach der Klinke und verhinderte so, daß die Tür wieder zugemacht wurde.
    »Arkadij Makarowitsch, es ist wirklich wahr, daß er tot ist?« ertönte eine mir wohlbekannte, sanfte, ruhige, metallische Stimme, von deren Klange mit einemmal meine ganze Seele erzitterte: man hörte es der Frage an, daß sie im Innersten ergriffen und erregt war.
    »Na, wenn's so ist«, rief auf einmal Tatjana Pawlownaund ließ die Tür los, »wenn's so ist, dann mögt ihr miteinander fertig werden, wie ihr wollt. Ihr habt es selbst gewollt!«
    Sie lief hastig aus der Wohnung hinaus, warf sich erst im Laufen ihr Kopftuch und ihren Pelz über und rannte die Treppe hinunter. Wir blieben allein. Ich warf den Pelz ab, trat ins Zimmer und machte hinter mir die Tür zu. Sie stand vor mir wie damals bei jenem Rendezvous, mit hellem Blick, und streckte mir wie damals beide Hände entgegen. Mir knickten die Knie ein, und ich sank buchstäblich zu ihren Füßen nieder.

III
     
    Mir kamen, ich weiß nicht weshalb, die Tränen in die Augen; ich kann mich nicht mehr erinnern, wie sie mich neben sich Platz nehmen ließ; ich erinnere mich nur – o welch eine köstliche Erinnerung! –, wie wir Hand in Hand nebeneinander saßen und hastig redeten: sie fragte nach dem alten Mann und nach seinem Tod, und ich erzählte ihr von ihm, so daß man hätte denken können, ich weinte um Makar Iwanowitsch, was doch der Gipfel der Absurdität gewesen wäre; und ich weiß, daß sie einen so abgeschmackten, kindischen Beweggrund bei mir keinesfalls voraussetzen konnte. Endlich kam mir auf einmal dieser Gedanke, und ich wurde verlegen. Jetzt glaube ich, daß ich damals einzig und allein vor Entzücken weinte, und denke mir, daß sie das selbst sehr gut wußte, so daß ich in bezug auf diesen Punkt meiner Erinnerungen beruhigt bin.
    Es kam mir auf einmal sehr seltsam vor, daß sie so viele Fragen über Makar Iwanowitsch stellte.
    »Haben Sie ihn denn gekannt?« fragte ich erstaunt.
    »Schon lange. Ich habe ihn nie gesehen, aber er hat auch in meinem Leben eine Rolle gespielt. Jener Mensch, vor dem ich mich fürchte, hat mir seinerzeit viel von ihm erzählt. Sie wissen, wen ich meine?«
    »Ich weiß jetzt nur, daß ›jener Mensch‹ Ihrem Herzen weit näher gestanden hat, als Sie mir das früher entdeckt haben«, sagte ich, ohne eigentlich selbst zu wissen, was ich damit zum Ausdruck bringen wollte, aber gewissermaßen im Ton des Vorwurfs und mit finsterem Gesicht.
    »Sie sagen, er habe soeben Ihre Mutter geküßt und umarmt? Haben Sie das selbst gesehen?« fuhr sie fort zu fragen, ohne auf das, was ich gesagt hatte, hinzuhören.
    »Ja, ich habe es gesehen; und Sie können glauben, daß er es mit durchaus wahrer Empfindung und in edelster Gesinnung getan hat!« beeilte ich mich zu versichern, als ich sah, wie sie sich freute.
    »Das gebe Gott!« sagte sie, sich bekreuzigend. »Jetzt ist er frei geworden. Dieser prächtige alte Mann ist ihm das ganze Leben hindurch eine Fessel gewesen. Nach dessen Tod wird das Gefühl der Pflicht und ... der eigenen Würde wieder in ihm lebendig werden, wie das schon einmal der Fall gewesen ist. Oh, er ist vor allen Dingen hochherzig, er wird das Herz Ihrer Mutter beruhigen, die er mehr als alles in der Welt liebt, und wird endlich auch selbst zur Ruhe gelangen, Gott sei Dank, es ist auch Zeit.«
    »Ist er Ihnen sehr teuer?«
    »Ja, sehr teuer, wenn auch nicht in dem

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