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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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sage dir, Lambert, er ist ganz schrecklich, wenn er anfängt, sich zu rächen. Er wird dann beinahe irrsinnig. Wenn er auf sie zornig wird, ist er zuallem fähig. Das ist eine Feindschaft nach der alten Art, eine Feindschaft um der hohen Prinzipien willen. In unserer Zeit scheren sich die Menschen nicht mehr um die allgemeinen Prinzipien; in unserer Zeit sind nicht die allgemeinen Prinzipien, sondern nur die privaten Zufälle von Wichtigkeit. Ach, Lambert, du verstehst nichts, du bist dumm wie ein Stock; da rede ich nun zu dir von diesen Prinzipien, aber du verstehst gewiß nichts davon. Du bist schrecklich ungebildet. Weißt du noch, wie du mich früher geprügelt hast? Ich bin jetzt stärker als du – weißt du das?«
    »Arkaschka, komm mit zu mir nach Hause! Wir wollen den Abend über gemütlich zusammensitzen und noch eine Flasche trinken, und Alfonsina soll uns etwas zur Gitarre vorsingen.«
    »Nein, ich komme nicht mit. Hör mal, Lambert, ich habe eine ›Idee‹. Wenn das mit der Heirat nicht gelingt, dann widme ich mich ganz meiner Idee; aber du hast keine Ideen.«
    »Gut, gut, das kannst du mir nachher erzählen, komm nur mit!«
    »Ich komme nicht mit«, sagte ich und stand auf. »Ich will nicht mitkommen und werde nicht mitkommen. Ich werde schon einmal zu dir kommen, aber du bist ein Schuft. Ich werde dir die dreißigtausend Rubel geben – meinetwegen, aber ich bin moralisch reiner als du und stehe über dir ... Ich sehe ja, daß du mich in jeder Hinsicht betrügen willst. Aber was sie anlangt, so verbiete ich dir, an sie auch nur zu denken: sie steht höher als alle andern Menschen, und deine Pläne sind eine solche Gemeinheit, daß ich geradezu erstaunt über dich bin, Lambert. Ich will sie heiraten – das steht auf einem andern Blatt, aber ein Kapital habe ich nicht nötig, ich verachte das Kapital. Und wenn sie mir ihr Kapital auf den Knien anböte, ich würde es nicht annehmen ... Aber heiraten, heiraten, das steht auf einem andern Blatt. Und weißt du, das war von dir eine sehr richtige Bemerkung, daß man die Frauen seine Herrschaft fühlen lassen muß. Man mag sie lieben, leidenschaftlich lieben, mit all der Hochherzigkeit, die der Mann besitzt und die beim Weibe nie vorhanden sein kann, aber man muß dabei ein Despot sein, das ist richtig. Denn weißt du,Lambert, das Weib liebt den Despotismus. Du, Lambert, kennst die Weiber. Aber in allen übrigen Beziehungen bist du erstaunlich dumm. Und weißt du, Lambert, du bist nicht ganz so abscheulich, wie du scheinst; du bist ein treuherziger Mensch. Ich habe dich gern. Ach, Lambert, warum bist du ein solcher Spitzbube? Wenn du das nicht wärst, dann könnten wir so vergnügt zusammen leben! Weißt du, Trischatow ist ein netter Mensch.«
    Alle diese letzten unzusammenhängenden Sätze stammelte ich, als wir schon auf der Straße waren. Oh, ich erzähle das so eingehend, damit der Leser sieht, daß ich trotz all meiner Begeisterung und trotz aller Schwüre und Gelöbnisse, ein neuer, besserer Mensch zu werden und die »edle Schönheit« zu suchen, doch damals so leicht zu Fall kommen konnte, und gerade in den ärgsten Schmutz hinein! Und ich schwöre, wenn ich nicht fest und völlig davon überzeugt wäre, daß ich jetzt schon ein ganz anderer Mensch bin und mir bereits durch das praktische Leben Charakterstärke erworben habe, so würde ich all das dem Leser um keinen Preis bekennen.
    Wir waren aus dem Laden hinausgetreten, und Lambert stützte mich, indem er mich leicht mit dem Arm umschlang. Auf einmal sah ich ihn an und gewahrte, daß sein unverwandter, forschender und im höchsten Grade nüchterner Blick fast ganz denselben Ausdruck hatte wie damals, an jenem Morgen, als ich fast erfroren war und er mich, den Arm genau ebenso um mich herumlegend, zu der Droschke führte und mit Augen und Ohren mein unzusammenhängendes Gestammel in sich aufnahm. Bei Betrunkenen, die noch nicht vollständig ihrer geistigen Fähigkeiten beraubt sind, kommen manchmal Augenblicke völliger Nüchternheit vor.
    »Um keinen Preis komme ich mit zu dir!« erklärte ich in festem Ton und zusammenhängenden Worten, wobei ich ihn spöttisch ansah und mit der Hand zurückschob.
    »Ach was, ich werde Alfonsina sagen, sie soll uns Tee machen, komm nur!«
    Er war fest überzeugt, daß ich mich nicht von ihm losreißen würde; er umschlang und stützte mich mit einem Genuß, als führte er ein schönes Stück Vieh zum Schlachten,und natürlich hatte er gerade mich nötig und gerade

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