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Der Jüngling

Der Jüngling

Titel: Der Jüngling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovi Dostoevskij
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für berechtigt, höchst ungeniert aufzutreten. Die Hauptsache war: er durchschaute die Lage nicht; er war, wie sich später herausstellte (ich werde das nachher nocherzählen), von allem durch eine anonyme Zuschrift in Kenntnis gesetzt worden und war sogleich in jenem Zustand der Raserei herbeigeeilt, in welchem sogar die klügsten Leute dieser Nationalität manchmal fähig sind, sich wie Schuster zu prügeln. Anna Andrejewna hatte sich diesem ganzen Überfall gegenüber höchst würdig benommen, aber da war ich noch nicht dagewesen. Ich sah nur, daß Bjoring, als er den alten Mann auf den Flur hinausführte, ihn plötzlich dem Baron R. überließ, sich heftig zu Anna Andrejewna zurückwandte und ihr, wahrscheinlich als Antwort auf eine Bemerkung von ihrer Seite, zuschrie:
    »Sie sind eine Intrigantin! Sie haben es auf sein Geld abgesehen! Von diesem Augenblick an stehen Sie in der Gesellschaft ehrlos da und werden sich vor Gericht zu verantworten haben! ...«
    »Sie sind es, der den unglücklichen Kranken ausbeutet und ihn bis zum Irrsinn gebracht hat ... mich schreien Sie an, weil ich eine Frau bin und niemand habe, der mich beschützt ...«
    »Ach ja! Sie sind seine Braut, seine Braut!« rief Bjoring und schlug ein boshaftes, wütendes Gelächter an.
    »Baron, Baron ... Cher enfant, je vous aime«, jammerte der Fürst weinend und streckte die Arme nach Anna Andrejewna aus.
    »Kommen Sie, Fürst, kommen Sie; es hat eine Verschwörung gegen Sie bestanden, vielleicht sogar gegen Ihr Leben!« schrie Bjoring.
    »Oui, oui, je comprends, j'ai compris au commencement ...«
    »Fürst«, rief Anna Andrejewna mit erhobener Stimme, »Sie beleidigen mich und lassen es zu, daß man mich beleidigt!«
    »Machen Sie, daß Sie wegkommen!« schrie Bjoring sie wieder an.
    Das vermochte ich nicht mehr zu ertragen.
    »Schurke!« brüllte ich ihn an. »Anna Andrejewna, ich beschütze Sie!«
    Ich werde die nun folgenden Ereignisse nicht in allen Einzelheiten schildern und bin auch gar nicht dazu imstande.Es spielte sich eine schauderhafte, gemeine Szene ab; es schien, als hätte ich auf einmal den Verstand verloren. Ich glaube, ich sprang auf Bjoring los und schlug ihn; wenigstens versetzte ich ihm einen starken Stoß. Er schlug mich ebenfalls mit aller Kraft an den Kopf, so daß ich zu Boden stürzte. Als ich wieder zur Besinnung gekommen war, lief ich ihnen die Treppe hinunter nach; ich erinnere mich, daß mir Blut aus der Nase floß. An der Haustür wartete ein Wagen auf sie, und während sie dem Fürsten beim Einsteigen behilflich waren, kam ich zum Wagen herangelaufen und stürzte mich, obwohl mich der Diener zurückstieß, wieder auf Bjoring. Da erschien, ich weiß nicht, wie es kam, die Polizei. Bjoring packte mich am Kragen und befahl dem Schutzmann in gebieterischem Ton, mich auf die Wache zu bringen. Ich schrie, er müsse ebenfalls mitkommen, damit ein gemeinsames Protokoll aufgenommen werde, und der Schutzmann solle nicht wagen, mich beinahe aus meiner Wohnung weg zu verhaften. Aber da die Sache sich auf der Straße ereignete und nicht in meiner Wohnung und da ich schrie, schimpfte und um mich schlug wie ein Betrunkener und da Bjoring seine Uniform anhatte, so verhaftete der Schutzmann nur mich. Aber nun geriet ich in vollständige Raserei, widersetzte mich aus Leibeskräften und schlug, wie ich glaube, auch den Schutzmann. Ich erinnere mich, daß dann auf einmal ihrer zwei da waren und mich abführten. Ich kann mich kaum besinnen, wie sie mich in ein von Ofen- und Tabaksrauch erfülltes Zimmer brachten, zu einer Menge von allerlei Leuten, die da standen und saßen, warteten und schrieben; ich fuhr auch hier fort zu schreien und verlangte, es solle ein Protokoll aufgenommen werden. Aber es handelte sich nicht mehr bloß um Aufnahme eines Protokolls, sondern die Sache hatte sich durch meine Widersetzlichkeit und Auflehnung gegen die Polizeigewalt kompliziert. Auch bot ich einen sehr häßlichen Anblick. Jemand schrie plötzlich in strengem Ton auf mich ein. Der Schutzmann zeigte mich unterdessen wegen Prügelei an und erzählte von dem Oberst, den ich attackiert hätte ...
    »Wie heißen Sie?« herrschte mich jemand an.
    »Dolgorukij«, brüllte ich.
    »Fürst Dolgorukij?«
    Außer mir vor Wut, antwortete ich mit einem sehr häßlichen Schimpfwort, und dann ... dann wurde ich, wie ich mich erinnere, in eine dunkle Kammer geschleppt – »zur Ernüchterung«. Oh, ich erhebe keinen Protest gegen diese Behandlung. Das ganze

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