Der Jüngstre Tag
dem Rucksack, schlang es hinunter und sortierte dann systematisch die Beute. Er hatte schon beschlossen, alles einschließlich der Munition in drei Teile zu teilen und es sicherheitshalber an verschiedenen Orten zu verstecken, falls Corky eines der Versteck entdeckte.
Schließlich nahm Luke die Bibel in die Hand und starrte ungläubig auf das Loch. Sie war an der Stelle noch warm, wo die Kugel in die Seiten eingedrungen war und ihre Energie verloren hatte. Luke konnte sein Glück kaum fassen. Die Bibel hatte ihm das Leben gerettet.
Als er das Deckblatt aufschlug, begann sein Herz zu rasen. Oben auf der Seite standen die Namen seiner Urgroßeltern, Claude und Cora Chatfield. Unter ihren Namen waren fünfzehn Kinder aufgelistet, einschließlich seiner eigenen Großmutter Margaret und des mysteriösen »geheimen« Großonkels William. Nur Williams Nachkommen waren aufgeführt, und der letzte Eintrag der Liste war geändert worden. Jemand hatte »Clive Cedric Cecil Cork« durchgestrichen und »Corky« hineingeschrieben.
Luke hob den Blick zum Himmel. Gab es doch einen Gott? Was hatte ihn veranlasst, die Bibel mitzunehmen, als er nach Munition gesucht hatte? Passte seine Großmutter da oben auf ihn auf? Nein, das konnte nicht sein. Sie war noch in Haver.
Plötzlich vermisste er sie. Seine Mutter war während der Pandemie gestorben; sein Vater war in Kapstadt von einem Löwen gefressen worden, und jetzt hatte Corky seinen Bruder erschossen. Luke hatte nur noch seine Großmutter. Ob sie noch lebte? Wenn er doch nur nach Haver zurückkehren könnte.
Er steckte die Beute wieder in den Rucksack und machte sich auf den Weg zu den Häusern am Rand von Manly, wo er glaubte, Gewehre gesehen zu haben. Unterwegs versteckte er einen Teil der Nahrungsmittel und der Munition an zwei verschiedenen Orten.
In einem großen Haus fand er geeignete Gewehre und lud sofort zwei durch. Die Angst, von Corky erschossen zu werden, die ihn seit dem Tod seines Bruders quälte, wurde von ungeheuerer Wut und Hass verdrängt.
Nach einer schlaflosen Nacht verließ er vor der Morgendämmerung sein Versteck und lief am Strand entlang zur Landzunge, wo er sich hinter Büschen versteckte. Die Stelle war ein paar Meter von der Straße entfernt, die Corky immer entlangging, um das Netz zu kontrollieren. Als der Mörder seines Bruders zum Netz ging, hob Luke das Gewehr und nahm einen Punkt zwischen Corkys Schulterblättern ins Visier. Doch trotz seiner Wut und obwohl die Gelegenheit günstig war und er den Finger schon am Abzug hatte, schaffte er es nicht abzudrücken.
»Das war gestern«, erklärte Luke ihnen. »Als ich heute Morgen aufgewacht bin, war mir klar, dass ich ihn unbedingt töten musste. Das Risiko, dass er mich findet, war einfach zu groß. Ich kam hierher, um ihn zu erschießen, und dann habe ich euch alle oben am Strand gesehen. Als ich dich graben sah, wusste ich, dass er mit dir dasselbe vorhatte wie mit Robert. Es war verdammt schwierig, ihn zu erschießen, ohne Penny und Lee zu gefährden.«
»Das hast du sehr gut gemacht«, sagte Steven und starrte auf den Leichnam.
Penny schlang einen Arm um Lukes Schultern. »Das mit deinem Bruder tut uns schrecklich leid.«
Zum ersten Mal seit Roberts Tod begann Luke zu weinen. Jetzt konnte er endlich in Sicherheit um seinen Bruder trauern.
Steven schleifte Corkys Leichnam über das Gras und warf ihn in das Grab, das für ihn selbst bestimmt gewesen war. Als er Erde auf den Leichnam schaufelte, fasste Luke sich allmählich wieder.
»Glaubt ihr wirklich, dass mein Bruder für den Tod all dieser Menschen verantwortlich war?«, fragte er und schaute hilflos auf die Reihe der Gräber.
Steven stützte sich auf die Schaufel. »Nein, es war Lee.«
»Lee?«
»Er trägt den Typhus-Erreger in sich. Er ist ein sogenannter asymptomatischer Träger.«
»Aber wie kann er die Menschen hier angesteckt haben?«
»Als Lee in dem Ruderboot mit ans Ufer gefahren ist, hat er die Latrine oben am Strand benutzt«, erklärte Steven ihm. »Dadurch wurden vermutlich die Wasservorräte infiziert. Diese Frauen hatten keine Abwehrkräfte gegen die Krankheit und daher keine Chance.«
»Müssen wir wirklich zurück nach Neuseeland fahren?«, fragte Penny Steven. Sie hatten die Archangel in den Kanal in der Nähe des Hafens gesteuert. Nun saßen sie auf der Mauer an der Promenade und sahen zu, wie Luke mit Lees Hilfe Corkys Netz in der kleinen Bucht auswarf.
Steven schaute sie an. »Wir müssen zurückkehren«,
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