Der Jüngstre Tag
Beinen in einer Ecke des Cockpits und hatte einen Fuß auf das Ruder gelegt. Nur gelegentlich musste er den Kurs der Jacht um ein paar Zentimeter in die eine oder andere Richtung korrigieren. Allison schmiegte sich an ihn und starrte aufs Meer. Trotz ihrer körperlichen Nähe waren beide mit den Gedanken anderswo.
Mark betrachtete das Meer und die Sterne. Über dem Kielwasser der Archangel schwebten schwerelos drei Albatrosse. Sie standen in der Luft, stürzten ab und zu in die Wellenkämme und flogen wieder in die Höhe. Diesmal schienen der Jacht mehr Vögel zu folgen als auf der Fahrt vor über einem Jahr. Ihre wachsende Zahl war für Mark ein Beweis, welch verheerende Auswirkungen die Fischindustrie auf den Bestand der Albatrosse vor der Pandemie gehabt hatte. Wie lange hätte diese Spezies ohne den Ausbruch der Seuche wohl noch überlebt?
Düstere Gedanken stiegen in Mark auf. Er fragte sich, ob die Suche nach weiteren Überlebenden nicht reine Zeitverschwendung war. Würde die Erde die Menschen auf lange Sicht ertragen, selbst wenn er genügend Menschen mit einem breiten Genpool fand, um ihren Fortbestand zu sichern? Hatte die Ausbeutung der Ressourcen und die Gier der Menschen das Klima schon zu stark verändert?
Dann wehte die Brise Allisons zarten Duft in seine Richtung. Nein, es konnte nicht zu spät sein. Das Leben war zu wertvoll. Die Menschheit musste überleben.
Er wandte sich Allison zu. Obwohl er sie körperlich und geistig nahe wusste, spürte er, dass sie mit ihren Gedanken ganz woanders war.
»Ich würde zu gerne wissen, woran du gerade denkst«, sagte er. Allison bekam einen Schreck, aber erholte sich schnell und schmiegte sich noch enger an ihn. Mark küsste sie auf die Wange. »Woran denkst du?«
»An Mutter. Ich frage mich, ob es in Haver allen gut geht.«
»Ich bin sicher, deiner Mutter geht es gut«, versicherte Mark ihr wieder einmal. »Du weißt, dass deine Familie sich um sie kümmert.«
»Wird Nigel das zulassen? Weißt du, dass ich einzig und allein eingewilligt habe, mit ihm zu leben, weil er seinen Söhnen befohlen hat, Medikamente für Mutters Arthritis zu suchen?«
»Ich dachte mir, dass das der Grund war.«
»Ich hätte mehr an ihre Medikamente denken müssen, ehe ich mit dir geflohen bin.«
»Deine Mutter wollte, dass du mitkommst. Sie hat es gesagt. Ich habe es gehört.«
»Das hätte sie sowieso gesagt, nicht wahr? Du weißt, wie sie war. Sie hat immer zuerst an andere gedacht.«
Mark spürte Allisons Schuldgefühle. »Wie groß war denn der Medikamentenvorrat deiner Mutter?«
»Ziemlich groß.«
»Siehst du.«
»Aber du weißt doch, wie rachsüchtig Nigel ist. Es würde mich nicht wundern, wenn er die Tabletten vor ihren Augen in den Abfluss geworfen hätte.«
Mark seufzte. »Steven und ich hatten immer vor zu fliehen, sollte es uns nicht gelingen, Nigel zu stürzen. Gleich zu Beginn unserer Vorbereitungen habe ich einen Brief an Nigel geschrieben. Um ihm mitzuteilen, dass wir wiederkommen, und ihn zu warnen, keinem unserer Verwandten etwas anzutun. Ehe wir geflohen sind, habe ich Diana den Brief gegeben und sie gebeten, dafür zu sorgen, dass Nigel ihn erhält.«
Allison rückte von Mark ab und richtete sich auf. »Wann kehren wir zurück?« Mark hörte die Aufregung in ihrer Stimme.
»Wir kehren nicht zurück. Das war nur ein Trick, eine Drohung, um sicherzugehen, dass er sich nach unserer Flucht an niemandem rächt.« Allison erwiderte nichts, doch er spürte ihre Enttäuschung. »Du wirst Neuseeland lieben«, versprach er ihr zum x-ten Mal. »Es ist ein wunderschönes Land.«
»Schöner als Kent?«
»Neuseeland hat andere Reize. Und das Klima ist milder. Kein Frost und kein Schnee.«
»Mit anderen Worten keine Jahreszeiten! Ich liebe den Wechsel der Jahreszeiten.«
»Du wirst Gulf Harbour lieben. Wir haben dort alles aufgebaut: eine Farm, Weingärten, elektrisches Licht, fließendes Wasser, Klassenzimmer, eine Bibliothek, Musik, Spiele. Alles! Wir haben sogar einen Zahnarztstuhl.«
»Ja, das ist wirklich etwas, worauf man sich freuen kann!«
Mark gab auf. Egal, was er ihr auch anbot, was ihr wirklich fehlte, konnte er ihr nicht bieten: ihre Mutter.
Obwohl Steven zuerst gegen einen Halt in Brisbane gewesen war, geriet auch er in Aufregung, als die Archangel sich der australischen Küste näherte. Beim ersten Tageslicht kam die Spitze von Moreton Island, der größten Sandinsel der Welt, in Sicht.
Steven war erleichtert, als sie das tückische
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