Der Jüngstre Tag
Flinders Reef backbord liegen ließen und er sah, dass die Leitboje und die meisten Kanalmarkierungen noch da waren. Sie segelten vorsichtig durch die schmalen Kanäle, die eine sichere Durchfahrt zwischen den unzähligen Sandbänken ermöglichten und die Einfahrt zur Moreton Bay schützten.
»Wo legen wir an, Onkel Mark?«, fragte Robert, als sie das tiefere Wasser des Hafens erreichten. Er hatte die Seekarte studiert, während sein Bruder Luke am Ruder stand.
»In der Manly Marina. Das ist einer der größten Jachthäfen auf der Südhalbkugel. Durch unsere Erfahrungen in Gulf Harbour wissen wir, dass in Jachthäfen am ehesten Diesel zu finden ist. Unsere Treibstoffvorräte gehen zur Neige. Das ist eine gute Basis. Während Steven die Archangel wartet und Diesel sucht, gehe ich mit dem Rest der Mannschaft an Land und suche in Brisbane nach den Verwandten von Großonkel William.«
»Fergus hat vorgeschlagen, wir sollten sofort, wenn wir anlegen, ein großes Feuer anzünden, falls hier in der Gegend von Manly noch jemand lebt«, sagte Steven. Doch es hörte sich an, als hielte er es für reine Zeitverschwendung.
Wegen des schwachen Windes brauchten sie fast den ganzen Tag bis zum Hafen. Sie fuhren an Mud Island vorbei und durch die Passage zwischen St. Helena Island und Green Island Richtung Manly. Die Abenddämmerung nahte bereits.
»Was um Himmels willen ist denn hier passiert?«, murmelte Mark, als sie sich der Einfahrt zum Bootshafen näherten. Sie segelten in einer abflauenden Brise und kamen kaum voran. »Wie zum Teufel ist das Schiff hierher gekommen?« Ein großer Frachtkahn lag quer vor der Einfahrt zum Jachthafen und versperrte sie. Er reichte Steven das Fernglas.
»Es sieht aus, als wäre der Kahn hier absichtlich in die Luft gesprengt und versenkt worden«, erwiderte Steven und gab seinem Vater das Fernglas zurück.
Mark drehte sich zu Luke um. »Steuer genau auf das Wrack zu. Wir ankern an der Kanaleinfahrt und rudern im Dingi an Land.«
»Wir könnten durch die Bootspassage in den Brisbane River rudern«, schlug Steven vor, als sein Vater das Ufer auf der rechten Seite des Hafens in Augenschein nahm.
»Auf keinen Fall«, erwiderte Mark mit strahlender Miene. »Ich sehe Menschen am Ufer.«
»Niemals!«
Mark reichte Steven das Fernglas; Robert rannte die Kajütenleiter hinunter und holte das zweite Fernglas.
»Mit unseren Augen ist doch alles in Ordnung, nicht wahr?«, rief Steven ungläubig.
»Es ist reines Glück, dass ich sie gesehen habe«, gestand Mark. »Mir ist aufgefallen, dass sich am Strand in der Sonne etwas bewegt hat.« Als die Archangel noch einmal den Kurs änderte und auf den Strand zufuhr, versammelte sich die ganze Familie im Cockpit und die Ferngläser wurden herumgereicht.
»Ich sehe sieben Menschen«, sagte Fergus. »Sieht so aus, als würden Ruderboote am Strand liegen.«
»In der Nähe des Hauses am Strand stehen auch Menschen«, rief Robert.
»Soll ich einen Signalschuss abgeben?«, fragte Steven seinen Vater.
»Besser nicht. Wir wissen nicht, wie sie reagieren. Wir segeln langsam und friedlich weiter.« Er schaute ängstlich auf das Echolot. Sie waren zwar noch ein gutes Stück vom Strand entfernt, aber die Bucht war sehr flach. Er änderte den Kurs der Jacht und fuhr wieder vom Strand weg. »Holt das Besan- und das Großsegel ein«, wies er die anderen an, als das Wasser wieder tiefer wurde. Alle halfen eifrig mit. Robert und Luke jedoch schauten noch immer durch das Fernglas.
Mark war verärgert. Der mürrische Robert brauchte immer eine Extraeinladung, aber Luke war normalerweise der Erste, wenn etwas getan werden musste. Er öffnete den Mund, um zu schimpfen, doch dann sah er, dass Allison ihn beobachtete, und beschloss, nichts zu sagen. Hinterher beschuldigte sie ihn nur wieder, die Jungen gerügt zu haben.
Mark wunderte sich, warum die beiden Jungen einander ständig das Fernglas aus den Händen rissen. Er selbst hielt das Ruder mit einer Hand und hob das Fernglas mit der anderen Hand vor die Augen. Plötzlich begriff er das Interesse der Jungen. Mark presste das Knie gegen das Ruder, um es zu stabilisieren, nahm das Fernglas in beide Hände und richtete es auf die Gruppe am Strand. Sie hatten sich schon ein ganzes Stück genähert, und er zählte jetzt elf Erwachsene und halb so viele Kinder. Ihre dunkle Haut ließ vermuten, dass sie Aborigines waren. Die nackten Körper verrieten, dass es sich bei den Erwachsenen ausschließlich um Frauen
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