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Der Jüngstre Tag

Der Jüngstre Tag

Titel: Der Jüngstre Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Green
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kooperativer sein, sobald der Reiz des Neuen verflogen ist.«
    Mark starrte auf den Horizont. Tief in seinem Inneren wusste er, dass Steven recht hatte. Es wäre ein unglaubliches Risiko, jetzt zurückzukehren. Er war zwischen dem Wunsch, umzukehren und die beiden Jungen da herauszuholen, und dem Wunsch, weiter nach Neuseeland zu fahren, hin und her gerissen.
    »Okay«, sagte Mark schließlich. »Wir machen es so, wie du vorgeschlagen hast. Du teilst die Wachen ein. Ich frage die beiden Frauen aus und schaue, was ich herausbekommen kann.«
    Die beiden Aborigine-Frauen saßen allein im Salon. Sie trugen die Kleidung, die Allison ihnen gegeben hatte. Doch beide waren üppiger gebaut als die anderen Frauen an Bord, und die Kleider waren zu eng. Sie tranken Tee, und Mark schenkte sich auch eine Tasse aus der Kanne ein.
    »Wie heißt ihr?«, fragte er, als er sich ihnen gegenübersetzte.
    »Lily«, sagte die größere Frau.
    »Sophia«, sagte die andere.
    »Ich bin Mark. Ich würde gerne erfahren, was in Australien nach der Pandemie passiert ist, und wie es dazu kam, dass ihr mit Corky zusammenlebt.«
    Lily begann zu erzählen. Sie und Sophia waren Cousinen. Ihre Kindheit hatten sie größtenteils in einer kleinen Gemeinschaft der Aborigines namens One Mile verbracht. Sie lag am Rande von Dunwich auf North Stradbroke Island. Der Ort One Mile war genau eine Meile vom Postamt entfernt. In früheren Zeilen lief jeder Aborigine, der nach Einbruch der Dämmerung im Umkreis einer Meile vom Postamt geschnappt wurde, Gefahr, erschossen zu werden. Aus diesem Grunde war in One Mile eine Siedlung entstanden.
    Anfang des 20. Jahrhunderts waren die meisten Aborigines aus Queensland zusammengetrieben und in eigene Ansiedlungen wie zum Beispiel Cherbourg gebracht worden, das ungefähr zweihundertfünfzig Kilometer von Brisbane entfernt war. Der Stamm auf North Stradbroke Island war diesem Schicksal entkommen. Erstens trachteten die weißen Siedler nicht nach ihrem Land, und zweitens wurden sie als Arbeitskräfte im Lager in Dunwich gebraucht – Queenslands Gegenstück zum britischen Armenhaus.
    Als die Pandemie ausbrach, lebten auf North Stradbroke Island etwa dreitausend Menschen, davon stammten über fünfhundert von den Ureinwohnern ab. Lily hatte in der Tourismusbranche der Insel gearbeitet, wogegen Sophia die bunten Lichter der Großstadt Brisbane angezogen hatten, wo sie als Reinigungskraft in einem Hotel Arbeit fand.
    »Brisbane war eine der ersten Städte in Australien, die von der Pandemie heimgesucht wurden«, sagte Sophia und starrte in ihre Tasse.
    Bei ihrer Arbeit im Hotel erlebte Sophia den Ausbruch von Super-SARS hautnah mit, als ein Gast aus Singapur den Virus einschleppte. Innerhalb weniger Tage breitete sich die Krankheit erst im Hotel und dann in der ganzen Stadt aus. Dasselbe Chaos, das Mark und seine Familie in Auckland und seine Verwandten in England erlebt hatten. Sophia floh nach North Stradbroke Island, wo ebenfalls Anarchie herrschte. Die Menschen kämpften mit Schusswaffen um Lebensmittel und andere Vorräte. Sophia, Lily, eine Gruppe älterer Aborigine-Frauen und ihre Kinder verließen ihre männlichen Verwandten und überließen die Kämpfe ihnen. Die Frauen tauchten in der Wildnis unter. Sie hielten sich von größeren Ortschaften fern und machten sich auf den Weg in die alten Stammesgebiete im Norden.
    »Und wie ging es weiter?«, fragte Mark, als er Tee nachgoss.
    »Wir kamen gut zurecht«, sagte Sophia. »Zwei der Frauen, die mitgekommen waren, Grandma Isabel und Grandma Agnes, kannten sich bestens aus. Wir mussten niemals hungern. Wir haben Seeschildkröten gejagt, Farnwurzeln weich geklopft und geröstet, Fische mit Netzen gefangen und Austern gesammelt. Wir haben sogar ein paar Dugongs gefangen.«
    »Und wie seid ihr auf Corky gestoßen?«
    »Wir blieben drei Monate in der Wildnis«, sagte Lily. »Ein paar Frauen sehnten sich dann nach ihren Männern, und wir machten uns auf den Weg nach Dunwich. Grandma Isabel schaffte es nicht mehr. Es schien fast so, als wäre sie überzeugt gewesen, uns alles beigebracht zu haben, was wir wissen mussten. Eines Nachts legte sie sich einfach hin und wachte nicht mehr auf.«
    »Agnes sagte, sie wolle uns nicht nach Dunwich begleiten. Wir trugen Isabels Leichnam zum Friedhof der alten Missionsstation in Moongalba und beerdigten sie dort«, sagte Sophia traurig. »Agnes ließen wir bei ihr zurück. Sie setzte sich neben das Grab und versicherte uns, dass sie

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