Der Jüngstre Tag
doch der Kontakt zwischen den drei Gruppen wurde weiterhin vermieden.
Mark bestand darauf, bei der Nahrungssuche zweigleisig zu fahren. Zum einen sammelten sie Nahrungsmittel für den sofortigen Bedarf der Gemeinschaft und die bevorstehende Reise nach Brisbane. Zum anderen wurden bestimmte Pflanzen und Bäume ausgegraben und zum Marina Hill transportiert, um die neuen Gärten auf den Hängen aufzustocken. In Garagen und Einfahrten fanden sie Dingis, die sie zum Strand schleppten. Sobald sie einen Fischschwarm in der Bucht entdeckten, gerieten alle in helle Aufregung, und eine kleine Flotte machte sich an die Verfolgung. Sie richteten eine Räucherkammer ein, die manchmal tagelang in Betrieb war, um so viele Fische wie möglich zu konservieren.
Bei Tagesanbruch machte Mark jeden Morgen einen Lauf kreuz und quer über die Halbinsel. Immer war er dabei bewaffnet. Er suchte nach Hinweisen, ob Jane diesen Weg vor nicht allzu langer Zeit gegangen sein könnte. Insgeheim ahnte Mark jedoch, dass sie vom Tsunami mitgerissen und getötet worden war.
Ihr Verlust schmerzte ihn sehr. Seine Frau Helen war die Erste in Neuseeland gewesen, die durch die Pandemie starb. Sie war kurz nach der Landung des Flugs von Singapur in Auckland im Flugzeug gestorben. Jane hatte er durch den Tsunami verloren. Und jetzt bestand die Gefahr, dass er seinen Sohn auch noch verlieren würde. Wenn Steven Penny und Lee nicht verließ, würde künftig seine Beziehung zu seinem Sohn aus Gesprächen über eine Absperrung hinweg bestehen. Oder Steven segelte ans andere Ende der Welt.
An dem Tag, als Steven aufbrach, standen sich Vater und Sohn an der Absperrung gegenüber. Es war das erste Mal, dass sie allein waren, seit sie über Lees Isolation von der Gemeinschaft gesprochen hatten. Beide spürten die Spannung, die in der Luft lag.
»Wann reist ihr ab?«, fragte Mark.
»Gleich geht’s los. Penny und Lee sind schon an Bord der Archangel . Ich bringe nur noch eine Ladung Nahrungsmittel mit dem Dingi zur Jacht, und dann legen wir ab.«
»Habt ihr auch genug Vorräte?«
»Ganz bestimmt. Ich hoffe, dass ich in Brisbane weitere Vorräte an Bord nehmen kann, aber selbst wenn nicht, müssten wir klarkommen.«
»Wenn du unterwegs bist, denk noch mal über Penny, Lee und deine Zukunft nach«, bat Mark und versuchte, seine Verzweiflung zu verbergen.
»Ich habe genug darüber nachgedacht«, erwiderte Steven. Dann drehte er sich um und ging davon.
»Geh kein Risiko mit Corky ein«, rief Mark ihm hinterher. »Das ist ein ganz mieser Typ.«
Steven drehte sich nicht mehr um, sondern winkte nur noch einmal zum Abschied.
Die Fahrt an der Nordostküste von Neuseeland entlang hätte kaum besser beginnen können. Bei einem Südwestwind von mehr als vierzig Kilometern pro Stunde segelte die Jacht mit einer Geschwindigkeit von acht Knoten. Ohne GPS und Leuchtfeuer hielt Steven es für sicherer, einem Kurs auf offener See zu folgen. Er war froh über die Entscheidung, als der Wind kurz nach Einbruch der Dunkelheit abflaute. Die Archangel hatte nur Diesel für zwölf Stunden Fahrt an Bord, und den mussten sie für Notsituationen sparen. Es war eine mondlose Nacht, und das Schiff schaukelte auf den Wellen, die sich am Tag gebildet hatten. Das Groß- und das Besansegel flatterten in der lauen Brise, als die Jacht durch die Dünung glitt. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu warten, bis wieder Wind aufkam.
»Leg dich doch schlafen«, schlug Steven Penny vor.
Sie schmiegte sich eng an ihn und schaute zu den Sternen empor, die in dieser mondlosen Nacht noch heller als sonst zu leuchten schienen. »Gleich.« Steven spürte, dass sie ebenso wie er die Zweisamkeit genoss. »Was wirst du tun, wenn Robert und Luke Brisbane nicht verlassen wollen oder wenn sie woandershin gegangen sind und wir sie nicht finden?«, fragte sie.
»Dann müssen wir wohl unverrichteter Dinge nach Gulf Harbour zurückkehren.«
»Wir könnten gleich weiterfahren. Wenn dein Vater darauf besteht, dass wir auf unbestimmte Zeit in Isolation leben, gibt es für uns keine Zukunft in Gulf Harbour. Wir werden wie Ausgestoßene am Rande der Gemeinschaft leben.«
»Vielleicht, aber wir könnten dennoch unseren Beitrag leisten. Wir hätten Gesellschaft, wenn auch nur über einen Zaun hinweg.«
»Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen.«
»Ich glaube, wir haben keine andere Wahl.«
»Wir haben eine andere Wahl. Wenn wir Robert und Luke nicht finden oder sie nicht überreden können, Brisbane
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