Der Jüngstre Tag
sie schließlich weckte und sie den Chronometer des Schiffes überprüften, stellten sie fest, dass der Sturm nur vier Tage gedauert hatte. Sie hätten schwören können, dem Unwetter eine Woche lang ausgesetzt gewesen zu sein.
Seit dem großen Sturm am Kap Hoorn auf ihrer Reise von Neuseeland nach England vor achtzehn Monaten hatte Steven nichts so Schlimmes erlebt. Auch Penny musste trotz der langen Reise von England nach Neuseeland niemals zuvor eine so entsetzliche Zeit durchstehen wie diese. Das verfestigte ihren Entschluss, sofort nach England zurückzukehren, wenn sich die Gelegenheit bot.
Doch ebenso wie die Erinnerung an die Geburt ihres Sohnes verblasste die Erinnerung an das schlechte Wetter schnell. Die Sonne schien, und sie sahen eine Walschule, die ein paar Hundert Meter von dem Schiff entfernt auftauchte und Gischtfontänen in die Luft blies. Drei Albatrosse folgten ihnen mehrere Tage und glitten stundenlang schwerelos über die Wellenkämme hinweg.
Irgendwann am Spätnachmittag sichteten sie Land in der Nähe von Moreton Island, östlich von Brisbane Harbour. Die Dämmerung nahte bereits, aber Steven hatte immer noch nicht die Markierung der Kanaleinfahrt erblickt, die sie in den North East Channel führen würde. In der Dunkelheit tauchten keine Leuchtfeuer auf. Trotz der Hoffnung, dass einige der solarbetriebenen Leuchtfeuer etwas weiter den Kanal hinunter noch funktionierten, wollte er das Risiko nicht eingehen, in der Dunkelheit zu navigieren. Sie holten die Segel ein und verbrachten eine ungemütliche Nacht in dem Außenkanal.
Am nächsten Morgen fuhren sie durch den North East und East Channel, ehe sie Kurs auf St. Helena Island nahmen, damit sie von Corkys Siedlung aus nicht entdeckt wurden. Am Nachmittag warfen sie den Anker im Osten der Insel und nutzten die Gelegenheit, eine Nacht lang gut zu schlafen. »Ich glaube, es ist sicherer, wenn wir bis zum Einbruch der Dunkelheit warten, ehe wir ans Ufer fahren. Dann rudere ich alleine zum Wynnum Creek und kundschafte Corkys Siedlung aus«, sagte Steven zu Penny, als sie am nächsten Tag erwachten.
»Auf gar keinen Fall. Wir kommen mit.«
»Ich glaube, es ist sicherer, wenn ich zuerst alleine die Lage peile.«
»Nein, wir kommen mit.«
»Wenigstens Lee sollte auf dem Schiff bleiben.«
Penny schüttelte den Kopf. »Wir müssen zusammenhalten.«
Als die Abenddämmerung einsetzte, nahm Steven das Gewehr und half Penny, einen kleinen Rucksack mit genügend Verpflegung für vierundzwanzig Stunden zu packen. Sie waren sich einig, die Archangel versteckt hinter St. Helena Island zurückzulassen, wo Corky sie nicht sehen konnte. Das bedeutete aber, dass sie drei Meilen bis zum Wynnum Creek rudern mussten. Als es dunkel wurde, ließen sie das Dingi ins Wasser und kletterten hinein.
Sie ließen St. Helena Island hinter sich und nahmen Kurs aufs Festland. Während Steven ruderte, suchte Penny das Ufer nach Lebenszeichen wie den Lichtschein eines Feuers oder den einer Kerze ab, doch sie konnte nichts entdecken. Sie ruderten durch den Wynnum Creek und versteckten das Dingi zwischen den Mangroven, ehe sie über einen verrotteten Schiffsrumpf ans Ufer kletterten.
Mit dem Gewehr in der Hand gingen Steven, Penny und Lee vorsichtig die Straße hinunter, die am Ufer entlang führte, durch die Badeorte Wynnum und Manly in Richtung von Corkys Siedlung. Sie erreichten Darling Point am nördlichen Ende der Rose Bay und starrten auf die undeutlichen Umrisse der Häuser, in denen die Gemeinschaft wohnte. Es war immer noch niemand zu sehen. Sie versteckten sich zwischen den Mangroven am Rande des Strandes, lauschten den Fischen, die in den Untiefen aus dem Wasser sprangen, und warteten auf die Morgendämmerung.
Als es allmählich hell wurde, konnten sie die Bungalows besser erkennen. Ein Stück weiter den Strand hinunter sahen sie die Silhouetten der Boote, mit denen sie die Vorräte zur Archangel transportiert hatten.
»Sieht alles verlassen aus«, flüsterte Penny Steven zu.
»Stimmt. Eigentlich müssten wir jetzt langsam mal jemanden sehen.«
Steven war nervös. Nichts bewegte sich und es gab keine verräterischen Rauchfahnen. Er beobachtete das Gebiet weiter durch das Fernglas. »Das gefällt mir nicht«, sagte er schließlich. »Ich sehe eine Reihe frischer Gräber auf dem Hügel oberhalb des Strandes. Ich bin sicher, dass sie beim letzten Mal noch nicht da waren.«
Als sie eine Stunde später immer noch niemanden gesehen hatten, führte Steven Penny
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