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Der Junge aus dem Meer - Roman

Der Junge aus dem Meer - Roman

Titel: Der Junge aus dem Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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»Schöne Sfumato-Technik.«
    Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach. »Bei ihm läuft’s mir kalt den Rücken herunter«, gab ich zu.
    T. J. fing an zu lachen. »Ach komm schon. Geh mal an einem x-beliebigen Tag nach Fisherman’s Village und dir begegnen Hunderte von komischen Käuzen, die genau so aussehen wie er.«
    »Wirklich?«, fragte ich. Mein Gesicht wurde rot. Fisherman’s Village. Wo Leo wahrscheinlich wohnte. Ich trat von einem Bein aufs andere, plötzlich unangenehm berührt von T. J.s hochmütigem Ton.
    »Nicht dass ein Mädchen wie du nach Fisherman’s Village gehen sollte«, fügte T. J. mit einem kurzen Zaudern hinzu und lächelte mich dann an. »Hey, würde es dich sehr stören, wenn ich mir mal das Arbeitszimmer ansähe?«
    »Nein«, erwiderte ich zerstreut und stieß die Tür auf. In der Finsternis des sich ankündigenden Regens ragten die Bücherregale dunkel auf. Das Fenster war offen, und eine kühle Brise blies durch die Seiten eines alten Town-&-Country -Magazins auf dem Schreibtisch.
    Ich war schon früher am Tag im Arbeitszimmer gewesen; in ihrem Putzrausch hatte Mom mich gebeten, Bücher in Kisten zu verpacken. Ich hatte nur zwei Regale geschafftund mit Absicht das ausgelassen, das EINE EINFÜHRUNG IN DIE LEGENDEN UND ÜBERLIEFERUNGEN VON SELKIE ISLAND enthielt. Obwohl ich das Buch loswerden wollte, hatte ich befürchtet, wieder mit dem Lesen anzufangen, sobald ich es, sei es auch nur, um es wegzupacken, in die Hand nahm.
    »Wow«, murmelte T. J. und lief in kleinen Kreisen umher. Am Schreibtisch blieb er stehen und strich mit den Fingern über das schwarze Kästchen mit dem goldenen Verschluss, das auf der Tischplatte lag. Dann betrachtete er die Bücherregale. »Eine sehr beeindruckende Sammlung.« Er lächelte mich an, so als hätte ich etwas mit der Stattlichkeit des Raums zu tun.
    Plötzlich blieb T. J. stehen und blickte geradewegs auf das Porträt von Isadora. »Wow«, sagte er wieder, wobei sich sein kantiger Kiefer lockerte. »Mein Vater hatte recht. Du ähnelst ihr.«
    Ich wurde rot. Als Mr. Illingworth und T. J. vorhin mit Brandy und Schokolade beladen an unserer Tür erschienen waren, hatte Mr. Illingworth mich angesehen und: »Isadora!«, gesagt. Ich war gleichermaßen geschmeichelt und schockiert und hatte mich gefragt, ob ich mich jemals an diesen Vergleich mit meiner Großmutter gewöhnen oder überhaupt daran glauben könnte.
    Jetzt schüttelte ich den Kopf. »Ich weiß nicht.« Ich betrachtete das Porträt. Isadora schien süffisant auf mich herabzugrinsen, als ob sie etwas wüsste, von dem ich keinerlei Kenntnis hatte. »Sie war so … elegant. Strahlend. Ich glaube nicht, dass dieser Zug vererbt werden kann.«
    T. J. drehte sich von dem Gemälde weg, sodass er mich ansehen konnte. Er legte den Kopf schief, und ich kam mir vor wie ein Kunstgegenstand, den er abschätzte.
    »Du könntest elegant sein«, verkündete er dann sein Urteil, streckte die Hand aus und berührte vorsichtig die Spitze meines Pferdeschwanzes. Ich verspannte mich. »Du könntest versuchen, dein Haar
so
zu tragen.« Er deutete auf das Bild. »Oder auch so ein Kleid!«, sagte er lachend. »Ich wette, du würdest toll aussehen.«
    Ich verschränkte die Arme vor der Brust und wurde leicht sauer. Ich konnte nämlich nicht sagen, ob ich ein Kompliment erhalten hatte oder beleidigt worden war.
    »Sieh mal, T. J.«, sagte ich, ging rückwärts und ließ mich auf dem Stuhl mit der hohen Lehne nieder, auf dem ich neulich nachts Llewellyn Thorpes Buch gelesen hatte. »Das bin ich nicht. Ich bin nicht wie CeeCee oder Virginia.« Ich hielt inne. Meine Kehle schnürte sich zu, als mir klar wurde, dass T. J. bestimmt schon viele von Virginias luxuriösen Kleidern bewundert – und aufgeknöpft – hatte.
    T. J. zog seine dunklen Augenbrauen zusammen und legte die Stirn in Falten. Er griff nach dem kleinen Sofa, rückte es an meinen Stuhl heran und setzte sich. »Aber Miranda, nein. Ich hatte nicht die Absicht, dich zu kränken.« Er lehnte sich zu mir. »Ich finde dich hübsch. Ich hab mich nur gefragt … wer du werden könntest, wenn du es zuließest«, beendete er seinen Satz und wirkte ganz zufrieden mit seiner letzten Bemerkung.
    Ich klappte meinen Mund auf und wieder zu. T. J. Illingworth fand mich hübsch? Ich konnte das aufkommende kleine Gefühl von Freude nicht unterdrücken. Mein
Gott.
Brauchte es wirklich nicht mehr, um mich weich zu kochen? Ich wurde immer mehr zu einem

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