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Der Junge aus dem Meer - Roman

Der Junge aus dem Meer - Roman

Titel: Der Junge aus dem Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Wir legten die Arme umeinander und vertieften unseren Kuss.
    »Was ist denn hier los?«
    Moms Stimme schnitt durch die Luft. Erschrocken ließ ich Leo los, drehte mich um und sah Mom in der Terrassentür stehen. Sie trug einen Bademantel, ihr Ausdruck war streng.
    »Ich dachte, du schläfst«, japste ich.
    Mom verschränkte die Arme vor der Brust. »Das kann ich sehen«, sagte sie kurz angebunden und warf Leo einen unmissverständlichen Blick zu.
    »Mom!« Ich wischte mir die letzten Tränen von der Wange. »Wir haben bloß …«
    Leo erhob sich, sein Gesicht war rot angelaufen. Er streckte seine Hand aus, wollte offenbar eine andere Art von Vorstellung einleiten, als es bei uns der Fall gewesen war.
    »Hallo, Ma’am. Leo Macleod. Ich bin ein Freund von Miranda. Tut mir leid, dass …«
    Mom ignorierte seine Hand. Stattdessen musterte sie Leo von oben bis unten. Ihre Missbilligung hätte deutlicher nicht ausfallen können. »Ich glaube, wir sind uns schon begegnet. Am Siren Beach?«
    »Das stimmt!«, rief Leo und versuchte weiterhin, positivzu klingen. Ich verschränkte die Hände ineinander und hatte das Gefühl, mich gleich übergeben zu müssen.
    »Leo ist bloß vorbeigekommen, um, äh … sein Sweatshirt zu holen«, improvisierte ich und stand ebenfalls auf. In der gleichen Sekunde wurde mir klar, dass ich eben meine Lüge von neulich abends aufgedeckt hatte. Mom sah mich durchdringend an.
    »Ich sollte jetzt mal zurück zur Arbeit gehen«, sagte Leo und ging mit seinem Sweatshirt unter dem Arm rückwärts auf die Verandastufen zu.
    »Ein kluger Einfall«, erwiderte Mom und brachte Leo dazu, seinen Blick abzuwenden.
    »Leo arbeitet im Meereskundezentrum«, erklärte ich Mom, als ob das die Wogen glätten könnte.
    »Alles in Ordnung?«, fragte mich Leo, während er rückwärts die Stufen hinunterlief. Ich wusste, dass er gern zu mir gekommen wäre und mich geküsst hätte, doch so dumm war er nicht.
    Ich nickte und lief ihm dann, kurzentschlossen und meine Mutter nicht weiter zu beachtend, über die Stufen hinterher und nahm seine Hand.
    »Miranda!«, blaffte Mom.
    »Wir sehen uns«, flüsterte ich. »Sobald ich kann.« Er musste einfach wissen, dass ich mich von Mom nicht aufhalten ließ.
    Leo nickte. »Der Strand«, gab er flüsternd zurück. »Heute Abend. Ich gehe mit meinem Vater am Wochenende auf Fischfang, also …«
    »Heute Abend«, versicherte ich. Ich würde es möglich machen. »Um welche Zeit?«
    »Zu jeder Zeit«, erwiderte Leo lächelnd.
    Das war zuviel. Ich konnte mein Staunen kaum unterdrücken. »Wie soll das gehen?!«, flüsterte ich. »Wie willst du wissen, dass ich da bin?«
    »Ich weiß es einfach«, sagte Leo und hielt meinem Blick stand. Ich wusste nicht, ob er es ernst meinte oder einen Witz machte. Doch bevor ich ihn fragen konnte, berührte er kurz meine Wange, sah zu Mom hinüber und war verschwunden.
    Ich dachte, ich müsste platzen. Wenn ich Leo doch bloß gesagt hätte, was ich mir vorstellte –
Meermann
, sagte ich wieder zu mir selbst. Obwohl ich wusste, dass sich alles nur in meinem Kopf abspielte, wollte ich doch eine Erklärung.
    Doch jetzt musste ich mich einem größeren Problem stellen. Meiner Mutter.
    Seufzend drehte ich mich um und stieg die Verandastufen hoch. Mom beobachtete mich, während ich die leeren Wassergläser einsammelte, dann ins Haus trat und dabei die Terrassentüren offen ließ. Der Wind blies herein, als wir uns gegenüberstanden.
    »Lass mich raten«, sagte sie eisig. »Er hat dich neulich abends nach Fisherman’s Village begleitet?« Jedes ihrer Worte war von Geringschätzung untermalt.
    Ich nickte und hielt die Gläser so fest, dass ich schon glaubte, sie würden zerbrechen. Ich blickte auf meine flauschigen Pantoffeln hinunter, die sich unpassend fröhlich von dem dunklen Holzfußboden abhoben. Ob Mom an meinem Gesicht erkennen konnte, dass ich geweint hatte?
    »Miranda«, sagte Mom und ihre Stimme klang plötzlich sanft. Ihr Südstaatenakzent war während der letzten Tage immer stärker hervorgetreten. Hoffnungsvoll sah ich sie an. »Sag mir«, fuhr sie fort, wobei sich ihre Stirn in Falten legte, »was machst du mit so einem Jungen?«
    Unvermittelt kochte heißer Zorn in mir hoch und drängtemeine vorherige Traurigkeit in den Hintergrund. Ich war sicher, dass meine Augen Feuer sprühten, während ich meine Mutter anstarrte. »Ich kann es nicht glauben«, sagte ich. So hatte ich noch nie mit meiner Mutter gesprochen, war aber entschieden, kein

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