Der Junge aus dem Meer
beiden Jungen namens Alexander und Karlchen Kubatz eine undurchsichtige Mauer bildeten. Im gleichen Augenblick fingen die Glorreichen Sieben auch schon wie ein Gesangverein an, ihre Stimmen zu erheben. Und weil ihnen gerade nichts anderes einfiel, sangen sie ganz einfach: „Der Mai ist gekommen...“
Inzwischen hatte Karlchen Kubatz seine Rolleiflex hervorgeholt und knipste jetzt ein Bild nach dem anderen. Er nahm zur Sicherheit verschiedene Blenden und überzeugte sich immer wieder von der genauen Schärfeneinstellung. Alexander blickte dabei einmal nach links, dann auf Karlchens rechte Schulter oder auch direkt in die Optik.
„Noch einmal lächeln, wenn ich bitten darf“, flüsterte Karlchen Kubatz schließlich, und dann bemerkte er: „Das wär’s.“ Dabei klappte er seine Rolleiflex wieder zusammen und rief: „Paß auf.“ Beinahe gleichzeitig warf er den Apparat vorsichtig hinter die Grasbüschel. Florian fing ihn auf, zeigte ganz kurz sein grinsendes Sommersprossengesicht und war verschwunden.
Die Glorreichen Sieben hatten mittlerweile die dritte Strophe ihrer Darbietung erreicht. Jetzt beendeten sie plötzlich ihren Gesang, ließen sich in den Sand fallen und schlugen Purzelbäume. Dabei schütteten sie sich aus vor Lachen, und der Rauhhaardackel namens Professor bellte zwischen ihnen herum, als wäre er aus dem Häuschen.
Verrückte Hühner, dachte Wachtmeister Küselwind und nahm seinen Feldstecher wieder von den Augen. Aber bestimmt so harmlos wie Junikäfer. Er blickte auf seine Armbanduhr. Es würde noch etwa eine Stunde dauern, bis der Kriminalkommissar aus Westerland kam.
In der Mulde beim Haus Seestern spielte sich inzwischen so etwas Ähnliches wie eine Stafettenübergabe ab. Chefredakteur Kubatz kam mit einer Aktentasche aus der Blockhütte, und Florian kam mit dem Fotoapparat von den Dünen heruntergelaufen. Am knallroten Flitzer trafen sie sich.
„Er hat den ganzen Film vollgeknipst“, keuchte das Sommersprossengesicht. „Und der Polizist hat keine Ahnung.“
„Ausgezeichnet“, stellte Herr Kubatz fest. Er legte den Fotoapparat neben sich auf den leeren Sitz und startete durch. „Der Dank der Bad Rittershuder Nachrichten ist dir gewiß.“ Damit ließ er den Motor aufheulen und flitzte los.
Auch er blickte nach einer Weile auf seine Armbanduhr. Aber er dachte dabei nicht, wie Wachtmeister Küselwind, an den Kommissar aus Westerland. Für ihn war im Augenblick nur wichtig, daß er noch rechtzeitig zum Flugplatz kam.
Was diesen Kommissar Michelsen anbetraf, so war Chefredakteur Kubatz vorerst gar nicht so scharf darauf, dessen Bekanntschaft zu machen. Im Augenblick hätte ihm dieser Herr vielleicht nur Schwierigkeiten bereitet.
„Es kann gar nicht verwundern, wenn Presseleute und Kriminalbeamte bei bestimmten Fällen ganz verschiedene Meinungen haben“, überlegte Herr Kubatz, als er an den dicht geparkten Autos vorbei endlich die freie Landstraße erreichte. „Und auf Professor Stoll ist Verlaß“, dachte Herr Kubatz weiter. „Er wird wie ein Schießhund darauf aufpassen, daß der Junge von dem Kommissar geschont wird. Auch wenn er sich insgeheim vielleicht eigene Gedanken macht.“
Kurz vor Westerland kam der Verkehr ins Stocken. Aus einer Kolonne von vier Fahrzeugen, die wie Möbelwagen aussahen, war das zweite ausgebrochen und stand quer über der Straße. Leute hatten sich angesammelt, und Autos standen hintereinander Schlange.
„Achsenbruch“, erklärte ein Badegast, der in einem himmelblauen Bademantel aus seinem Auto geklettert war „Sieht aus, als sei das eine Art Zirkus.“
Die vier Wagen hatten nämlich alle dieselbe Aufschrift ARTISTIK INTERNATIONAL und auch dieselbe Farbe.
„Ich müßte in zwanzig Minuten am Flugplatz sein“, meinte Herr Kubatz besorgt.
„Dann aber nichts wie umdrehen“, empfahl der Badegast im himmelblauen Bademantel. „Nehmen Sie die dritte Straße rechts und nach der ersten Ampel gleich links, dann schaffen Sie’s noch im ersten Gang.“
„Besten Dank“, sagte der Chefredakteur der Bad Rittershuder Nachrichten und ließ wieder einmal seinen Motor aufheulen.
Ein Kriminalkommissar wird pampig
Wachtmeister Küselwind hatte inzwischen in seiner zitronengelben Badehose und mit dem Fernglas vor der Brust neben der Blockhütte Stellung bezogen. Er hatte sich in die Hängematte gesetzt und ließ seine nackten Füße in der Luft baumeln. Von hier aus konnte er das ganze Gelände überblicken, ohne selbst allzusehr aufzufallen.
Es
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