Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Junge, den niemand sah: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Read
Vom Netzwerk:
sagte sie dann und sah in ihren Schoß.
    Mit dem Finger fuhr ich die Inschrift an der Wand neben uns nach. Aber ich will sie erlösen aus dem Grab …
    »Der Boden war unberührt«, sagte ich. »Da war eine dicke Schicht vermodertes Laub unter den Knochen. Der Brustkorb war zerschmettert …«
    »Hör auf.« Cate hob die Hand und schloss die Augen. »Ich glaube, ich verkrafte die Einzelheiten nicht.«
    »Tut mir leid«, sagte ich, »ich erzähle es dann der Polizei.«
    Sie berührte mein Knie. »Nein, mir tut es leid.«
    »Ich weiß, Cate.«
    Ja, ich kannte das Gefühl nur zu gut. Ich hatte in den letzten Jahren einige schlimme Dinge gesehen. Ich hatte ziemlich viel Scheiß hinter mir.
    Aber es hatte mich nicht abgehärtet oder tapferer gemacht. Es hatte mich nur traurig und müde gemacht.
    Und manchmal unsensibel, wie eben.
    Cate zitterte, und ich legte den Arm um sie.
    »Aber weißt du, was das Gute ist?«, fragte ich.
    »Sag du’s mir«, gab sie zurück, »mir fällt beim besten Willen nichts ein.«
    »Die Polizei nimmt die Sache ernst, verstehst du? Sie sperren den Tatort ab, passen auf, dass wir alle hierbleiben … Die meinen es ernst.«
    »Stimmt, das ist gut.«
    »Willst du einen Keks?«, fragte ich.
    Sie schüttelte den Kopf. »Wer hätte gedacht, dass die Friedhofstante so ein Waschlappen ist, oder?«
    »Du bist kein Waschlappen. Du bist ein Mensch.«
    Das Funkgerät unseres jungen Bullen knisterte, und ich hörte, wie eine körnige Stimme meldete: »Skwarecki ist da. Jetzt warten wir nur noch auf die Gerichtsmedizin.«
    Ich versuchte, mir Skwarecki vorzustellen. Wahrscheinlich ein fleischiger Typ mit Schnurrbart. Graue Haare, ehemaliger Sportler, mit geplatzten Äderchen im Gesicht.
    So jedenfalls sah der Durchschnitt der Ermittler aus, mit denen ich es bis jetzt zu tun gehabt hatte.
    Plötzlich richtete sich Fergus auf und drückte die Schultern zurück. Ich drehte mich um, weil ich sehen wollte, für wen er das Theater veranstaltete.
    Zwei Gedanken schossen mir durch den Kopf: Es war Skwarecki, und ich war ein Idiot.
    Sie trug eine goldene Marke am Bund ihrer grauen Bügelfaltenhose und hatte den Finger im Kragen der passenden Jacke, die sie sich über die Schulter geworfen hatte. Die blonden Strähnchen hatten mal wieder eine Färbung nötig, aber dafür waren ihre Schuhe auf Hochglanz poliert.
    Nur in einem Detail war meine imaginäre Montage richtig.Die Frau war vielleicht zwanzig Jahre älter als ich, aber sie war immer noch durch und durch Sportlerin.
    Ich schätzte, sie hatte früher mal Hockey gespielt. Kräftige Schultern, wenn auch für die Verteidigung ein bisschen zu schmal. Schmale Hüften und Fleisch an den hinteren Oberschenkeln: Sprinterin.
    »Yo, Bleichgesicht!« Sie schnippte mit den Fingern in Richtung unseres jungen Bullen.
    Sie redete schnell, der abgehackte Tonfall aus Queens, das typische Outer-Boroughs-Schnarren, als hätte sie Kies in den Nebenhöhlen.
    »Worauf warten Sie, zum Teufel? Auf die nächste Wiederkunft des Herrn? Bewegen Sie Ihren Arsch hier rüber.«
    Er lief dienstbeflissen herbei, und sie nahm ihn sich vor, eine Hand in der Hüfte, während sie mit dem Zeigefinger der anderen auf seine Marke einstach.
    »Albie«, sagte sie, »werden Sie so genannt, wenn Sie wach sind?«
    Er wurde rot und nickte, aber er musste grinsen.
    Netter Trick, jemanden runterzuputzen und dabei gleichzeitig für sich einzunehmen.
    »Dann klären Sie mich mal auf, Albie «, fuhr sie fort. »Wir haben eine Leiche da draußen, und wir haben einige nette Leute, die hier drinnen sitzen, und Sie haben die Hände frei – kein Klemmbrett, kein Kuli. Als gut ausgebildete Ermittlerin sagt mir das, Sie wissen bereits genau, was sich hier abgespielt hat, und ich kann Feierabend machen, weil Sie meinen Fall gelöst haben, bevor ich überhaupt aufgekreuzt bin – ist das richtig?«
    Er schüttelte den Kopf und wurde noch röter. Aber sie hatte ihn zum Lachen gebracht.
    »Also, was können Sie mir sagen?«, fragte sie. »Wissen Sie, wer hier verantwortlich ist?«
    Er zeigte auf Cate.
    »Gut gemacht«, sagte sie. »Und wer hat die Leiche gefunden?«
    Er zeigte auf mich.
    »Weiter so«, sagte sie, »dann bringen Sie es noch zum Hauptkommissar.«
    Er lächelte, und Skwarecki trug ihm auf, Namen, Adressen und Telefonnummern aller Schüler aufzuschreiben und sie nach Hause zu schicken.
    Dann boxte sie ihn freundlich gegen die Schulter und wandte sich Cate und mir zu.

8
    Skwarecki erklärte uns, ihr Vorname sei

Weitere Kostenlose Bücher