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Der Junge, der es regnen liess

Der Junge, der es regnen liess

Titel: Der Junge, der es regnen liess Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Conaghan
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ging es mir immer wieder durch den Kopf. Dann setzte Pschschsch  – das Pinkeln ein. Musik in meinen Ohren. Eine Erleichterung. Ich stellte mir vor, was Clem bei alledem wohl denken musste. Fand er das etwa erregend?
    Die Sache ist die, so verrückt sich das anhört, ich erkannte dieses Pinkelgeräusch. Ich spinne nicht. Ich erkannte es wirklich. Wenn mich nicht alles täuschte, war das da drinnen die wilde Cora. Es war Cora. Definitiv. Bestätigt wurde es, als sie sich nicht die Hände wusch (aus irgendwelchen Gründen wäscht Cora sich nie die Hände) und im Gehen dieses öde Lied Wonderwall von Oasis summte, das sie so toll fand. Sie summt immer anstatt zu singen, denn ihre Stimme hört sich an wie ein Hund, der eine Couch zerfetzt.
    Kaum hatte Cora die Toilette verlassen, nahm Clem ebenfalls die Beine in die Hand. Ich atmete erleichtert auf. Ich drückte mir das Ding rein und spülte den alten Tampon, der die ganze Zeit in der Kloschüssel herumschwamm, runter. Ich wusch mir die Hände und stürmte raus. Ich dachte, ich würde Cora suchen und ihr erzählen, wie ihre Pisse sich anhörte. Und dabei könnte ich der Sau gleich noch erzählen, dass sie sich die Hände waschen sollte, wenn sie ihr Dingens angefasst hatte. Sie würde nicht schwer zu finden sein.
    Dann hatte ich eine tolle Idee für ein neues Kunstprojekt: Ich dachte, ich könnte doch etwas über Toiletten-Graffiti machen. Die schlüpfrigen (das war eins von Clems Worten) Inschriften durch eine subtilere, positivere Art von Graffiti-Kunst infrage stellen. So eine Art Banksy für die Schülergeneration. Ich könnte die guten Sachen auf die linke Wand und die schlechten auf die rechte Wand der Toilette schreiben. Ich würde es Toilettentennis nennen. Superidee! War es zu spät, um noch das Projekt zu wechseln? Für den Augenblick schlug ich mir die Sache aus dem Sinn. Ich verließ die Toilette und stieß mit diesem total abgedrehten kleinen Mädchen zusammen. Eine zukünftige NED.
    »Bist du Rosie Farrell?«
    »Wer will das wissen?«
    »Bist du Rosie Farrell?«, bellte sie zurück. »Das ist doch eine einfache Frage.«
    »Ja, okay, und was ist nun?«
    »Dieser englische Typ sucht nach dir.«
    »Clem?«
    »Ja, das isser. Der Typ mit dem komischen Namen.«
    »Wo hast du ihn gesehen?«
    »Er hing vor dem Mädchenklo rum.«
    »Und was hat er gesagt?«
    »Nix, der hat mich nur gefragt, ob du da drinnen bist. Hörte sich total verzweifelt an.«
    »Weil er aufs Klo musste?«
    »Nee, weil er dich gesucht hat.«
    »Wo ist er denn jetzt, hast du eine Ahnung?«
    »Nee.«
    »Na ja, trotzdem danke.«
    »Ich hab gehört, er treibt’s mit dieser Englischlehrerin.«
    »Mit wem?«
    »Mit der Blonden mit den Riesentitten.«
    »Davon weiß ich nichts.«
    »Ich erzähl’s dir doch jetzt.«
    »Und wer hat’s dir erzählt?«
    »Hab keine Ahnung.«
    »Bei deinem Arsch hast du die.«
    »Werd nicht frech«, sagte sie. Die war definitiv eine Kandidatin für die künftige Königin der NEDs.
    »Wo ist er jetzt?«
    »Was hängt der überhaupt vor dem Mädchenklo rum?«
    »Keine Ahnung, frag ihn doch selbst.«
    »Bei dem tickt’s nicht richtig, wenn du mich fragst.«
    »Ja, wie auch immer, wo ist er hingegangen?«
    »Hab keine Ahnung.«
    »Tolle Hilfe.«
    »Ich hab mir bloß gedacht, ich erzähl dir, dass der dich gesucht hat.«
    »Okay, danke.«
    »Und ich habe gehört, dass Fran McEvoy ihm die Scheiße aus dem Arsch treten will.«
    »Dann hast du eben falsch gehört, verstanden?«
    »Mal sehen.«
    »Solltest du nicht eigentlich im Unterricht sein?«
    »Na und?«
    »In welchem Kurs bist du?«
    »Keine Ahnung.«
    »Das überrascht mich nicht«, sagte ich. »Also tschüss, wie immer du heißt. War nett, mit dir zu quatschen.«
    »Ja, ja, lass stecken.«
    Ich ging, aber noch ehe ich in einen anderen Korridor einbog, rief sie mir hinterher.
    »Izzy!«
    »Was?«
    »Ich heiße Izzy.«
    »Schön für dich«, sagte ich. Aber dieses kleine Ding machte mich rasend. All das Zeug, das sie über Clem gesagt hatte.
    Ich wusste, es war alles zu schön, um wahr zu sein. Ich wusste, irgendwas würde dazwischenkommen. Oder irgendwer. In meinem Kopf war ich total realistisch. Sogar in den Zeiten, wenn wir uns verstanden wie John und Yoko, da war immer diese Stimme in meinem Kopf, die an mir nagte und mir erzählte, dass demnächst eine Bombe explodieren würde. Um die Wahrheit zu sagen, war ich ein bisschen sauer, dass ich die ganze Sache nicht einfach genießen konnte, statt ständig an negative

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