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Der Junge, der es regnen liess

Der Junge, der es regnen liess

Titel: Der Junge, der es regnen liess Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Conaghan
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zurück. Die Stimmen kamen näher. Die Arschlöcher, Wichser, Schlampen und Schweine waren jetzt vernehmbar.
    »Wer hat dir das angetan?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Jetzt komm schon, Clem.«
    »Ganz ehrlich, Miss, ich weiß es nicht.«
    »Warum beschützt du die?«
    Eine Horde Jungen aus der achten Klasse ging vorüber, sie kicherten in ihre Blazer und gaben verstohlene kleine Kommentare von sich. Ich hörte, wie der Name Cora mehr als einmal in herablassender Weise benutzt wurde. Meinen Namen hörte ich auch. Falls man englische Fotze überhaupt als Namen gelten lassen will. Ich hörte Rosies Namen und dann den von McEvoy. Ihr großes Vorbild. Gekicher, Gewisper, Gelächter, hyperbolische, komische Lächerlichkeit.
    Ich war zum Gelächter der Schule geworden, und das hier waren lediglich die Achtklässler. Viel mehr stand mir bevor. Ein Tsunami aus Beleidigungen und Spott. Wellen von Gefahr.
    »Ich weiß wirklich nicht, wer es getan hat.«
    »War es diese Gruppe von Burschen aus der zehnten und elften Klasse?«
    »Wer?«
    »Niemand.«
    »Conor Duffy?«
    »Nein.«
    »Wer dann?«
    »Nicht Conor.«
    »Die Burschen, die immer im Trainingsanzug herumlaufen?«
    Ich starrte stur auf den Boden. »Diese NEDs?«
    »Ja. Die NEDs.«
    Eine Pause. Ein Blick. Ein Starren. Unwahrheit, die spürbar in der Luft lag.
    »Nein.«
    »Clem, hör mal, du weißt, du kannst dich mir anvertrauen, wenn du dich unsicher fühlst.«
    Eine Hand. Ein Ausstrecken. Ein Zurückweichen. Ein Erreichen. Ein Rückzug vor denen, die unterrichten.
    »Danke. Ich weiß das wirklich zu schätzen.«
    Eine Behauptung. Das gegenteilige Gefühl. Eine Glocke. Ein Klingeln. Die Rettung.
    Ich glaube, das war das letzte Mal, dass Miss Croal und ich ein richtiges Gespräch führten. Kurz darauf passierte die Sache mit dem Ventilator und der Scheiße, wobei die metaphorischen Exkremente über die Gesichter all derer, die sich in unmittelbarer Nähe aufhielten, gespritzt wurden. Den Gestank davon wurden wir nie wieder los: durchdringend und aufdringlich.
    Ich bin nicht sicher, wie ihre Meinung zu alledem lautet. Dennoch wäre ich unglücklich, wenn sie mich nicht rehabilitieren würde. Diese Klingel war das Problem, mit dem alles begann. Nun ja, die Klingel und eine Menge anderer Dinge – und noch mehr. Die Glocke ertönte und rettete uns beide. Ich machte mich auf den Weg zu meinem Mathekurs. Ein Scheißfach, höllisch schwierig.
    Ein Hafen der Sicherheit …
    McEvoy und ein paar seiner Spießgesellen lungerten etwa zwanzig Meter vor der Tür des Matheraums herum. Nike, Burberry, billiges Gold und Tätowierungen auf den Handgelenken, alles zur Schau gestellt. Tätowierungen auf den Handgelenken, eine Zusammenfassung des Lebens auf dem Arm … in Kantonesisch, Arabisch oder Japanisch. Sofortige Inspiration auf den ersten Blick. Dieser Haufen war eine Anomalie an dieser Schule, Außenseiter ohne Uniform.
    Sie warteten auf niemanden Bestimmtes. Schon gar nicht auf mich. Fraglos warteten sie nicht in vorgeschriebener Weise darauf, dass ein Mathekurs begann. Einer für einfaches Zählen vielleicht.
    Mehr Gekicher über mein blaues Auge. McEvoy sagte etwas, von dem ich nicht mehr als ein knurrendes Grunzen verstand. Die anderen lachten. Das ließ ihn innerlich ins Schleudern geraten. Seine nächste Aktion verstörte mich und versetzte mich ins Schleudern. Er streckte den Zeigefinger und führte ihn langsam von oben nach unten über seine Wange. Sorgfältig. Dann dieselbe Bewegung auf der anderen Wange. Die ganze Zeit über ließ sein Blick den meinen nicht los. Es war eine Drohung, die mich schaudern ließ. Eine unmissverständliche Absichtserklärung.
    Die Handlanger lachten, während mein Gesichtsausdruck sich zwangsläufig veränderte. Alles, aber keine Angst! Du darfst ihnen keine Angst zeigen. Hunde wittern Angst. Erlaube ihnen nicht, sie zu wittern, nicht einmal die kleinste Spur. Schick ihnen deinen Blick, der besagt: Verdammt, ich lasse mich von euch nicht einschüchtern. Stell dich deinen Dämonen, Junge, sagte ich mir, während McEvoy, der fleischgewordene Teufel, demonstrierte, dass er vorhatte, ein Stanley-Messer oder etwas, das genauso scharf und akkurat schnitt, von einem Ende meiner Wange zum anderen zu ziehen. Damit sagte er, dass er zustechen wollte, mich aufschlitzen, mir ein neues Lächeln einritzen, mich entstellen, mich zerstören. Dieses widerliche Stück Scheiße wollte sein Zeichen an mir hinterlassen. Fran McEvoys Unterschrift, mir ein Leben lang

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