Der Junge, der es regnen liess
verlassen, die Struktur (und Betreuung) der Tage hinter sich zu lassen, den Ort von Bedeutung, den man jeden Tag aufzusuchen hatte, eine Möglichkeit, aus dem Elend seines Zuhauses herauszukommen, ohne gezwungen zu werden, einen Job zu finden.
Ich habe versucht, seine Frustration darüber zu verstehen, dass die Leute in seiner Umgebung sich nach der neuesten Kaufhausmode einkleiden, in den Urlaub ins Ausland fahren, über die Zukunft diskutieren, feste Beziehungen haben. Seine Eifersucht, weil seine Familie es sich nicht leisten konnte, ihm irgendetwas zu kaufen, ihm und seinen Geschwistern irgendeins der begehrten Güter zu gönnen, die seine Altersgenossen bekommen. Seine Traurigkeit, weil seine Eltern ihren eigenen Kindern vorwerfen, sie hätten ihnen die Jugend gestohlen und jegliches Glück, das sie im Leben hätten erringen können.
Demzufolge haben diese Eltern den armen Fran abgelehnt und vernachlässigt. Sie haben beschlossen, sich mit einem Leben in Armut, finanziert von der staatlichen Wohlfahrt, zufriedenzugeben. Vielleicht ist es ja aber auch viel simpler, vielleicht hat er eine dieser abgekürzten Krankheiten: OCD oder ADHD oder DOOF oder FOTZE. Vielleicht leidet er an Autismus, Asperger-Syndrom oder irgendeiner anderen Art von kognitivem Chaos, das erst noch entdeckt oder diagnostiziert werden muss. Vielleicht vergisst er auch nur, jeden Tag sein Ritalin zu nehmen.
Ich habe versucht, die Dinge durch seine Augen zu sehen und mich bemüht, herauszufinden, warum er tut, was er tut, warum er sagt, was er sagt, warum er immer ein Messer bei sich trägt, doch egal, wie lange und wie intensiv ich es versuche, die Antwort ist immer dieselbe: McEvoy ist eine Fotze. Eine erstklassige, spitzenmäßige, verfickte fotzige Fotze.
Oder vielleicht braucht er auch nur einen, der ihn in den Arm nimmt.
Summ! Summ! Summ!
Geh nicht ran.
Ping! Ping! Ping!
Lieb dich!
Oh Gott, Rosie, jetzt ziehst du wirklich alle Register. Darüber haben wir nie gesprochen, zumindest nie mit einem gewissen Ernst dahinter. Es ist ein Tabuthema. Ich nehme an, das ist eine Reaktion darauf, dass ich gesagt habe, ich will nach Brighton gehen, oder? Es ist keine echte Liebe. Das kann es nicht sein. Kannst du es nicht so sehen, wie es ist? Denk darüber nach, du wirst in der Lage sein, deine Freunde an der Universität, bei der Arbeit, in der Zukunft, deinen Mann und deine Kinder mit Geschichten von deiner ersten großen Verknalltheit zu ergötzen. Oder Liebe, wenn du es so nennen willst. Schau dich um und sieh dir all die Lebensläufe an, die von diesen Wellen der ersten Liebe zerstört worden sind. Die Scharen, die dieser ersten Liebe in die Falle gegangen sind. Die, die verbogene Hälse von den Jahren des Zurückblickens haben und verbogene Hirne von dem, was sie da sehen: Reue und Unverständnis.
Ping! Ping! Ping!
Kein Geld mehr auf dem Handy … Du weißt, wo ich bin.
Das ist das Problem mit der Gesellschaft; kein Geld auf dem Handy, keine Anerkennung. Niemand bekommt Anerkennung oder kann sie sich verschaffen. Altersgenossen geben einem keine Anerkennung dafür, dass man etwas leistet oder verdient. Sie beschimpfen dich bei jedem Schritt. Also mach dir keine Sorgen, Rosie, anerkannt wird keiner von uns. Damit stehst du hier oben nicht allein da. Vielleicht bin ich zu streng, nicht verständnisvoll genug, aber zum Teufel damit, zum Teufel mit allem.
Das Summen und Plingen hatte aufgehört. Ich war noch immer im HMV und blätterte durch die CDs, die ich weder kaufen noch probehören wollte. Es war die Mechanik, die Routine, mit der man etwas tut, das Gefühl, etwas wert zu sein, dazuzugehören, das meine Finger in Bewegung hielt. Ich vermisste den Austausch mit Rosie. Ich vermisste die Aufmerksamkeit. Wir alle brauchen sie.
Einkauf
Durch die Straßen zu ziehen ist ein bisschen wie Leben in einer neuen Wirklichkeit. Zum ersten Mal bekam ich eine andere Seite von Glasgow zu sehen. Ich betrachtete die Leute genau. Ich folgte manchen, die im Begriff standen, ihren Tag zu beginnen, sich an ihre Arbeitsplätze zu begeben, als trügen sie das Leid der Welt auf den Schultern.
Im Laufe des Tages spielte ich mit einer Anzahl von ihnen Spiele. Detektivspiele. Ich fand heraus, wo viele von ihnen zum Mittagessen hingingen, und ich hörte ihren Gesprächen zu. Ich saß im Café eines Buchladens, trank den teuren, in richtigen Eimern ausgeschenkten Kaffee, und versuchte, B. S. Johnsons Worte zu entschlüsseln, aber der unentwegt sabbelnde
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