Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Junge, der es regnen liess

Der Junge, der es regnen liess

Titel: Der Junge, der es regnen liess Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Conaghan
Vom Netzwerk:
Idiot, der links neben mir saß, und ein paar hirnlose Mädchen zu meiner Rechten missgönnten mir dieses schlichte Vergnügen.
    Der Idiot bequatschte seine Freundin (?) mit seinem »wissenschaftlichen Forschungsprojekt« und den »künftigen Berufsaussichten«, die so eine Sache mit sich brächte. Die Freundin hingegen machte aus ihrem völligen Desinteresse keinen Hehl. Ich erwischte mich beim Lauschen. Mit bemerkenswertem Interesse. Ich fragte mich, ob die wohl miteinander schliefen. Ihre Hände berührten sich. Wahrscheinlich tun sie es, vermutete ich. Dann dachte ich: Wenn ich diese Frau wäre, würde ich es definitiv nicht mit diesem Naturwissenschaftler-Typen machen. Der ist zu stumpfsinnig. Mit der Frau würde ich es dagegen treiben (aber nur einmal, allzu lang könnte ich ihren leeren Gesichtsausdruck nicht ertragen).
    Vielleicht steht sie auf so einschläfernde Naturwissenschaftler-Typen, überlegte ich. Dann wandte ich meine Aufmerksamkeit den hirnlosen Mädchen zu. Ich fragte mich, ob die wohl schon mit Typen schliefen. Und so weiter und so weiter. Diese Leute hellten die trüben Straßen von Glasgow für mich auf.
    Irgendwann fing ich an, mich zu langweilen. Meinen iPod hatte ich von vorn bis hinten gehört und hatte die Auswahl satt. Mein Finger lag permanent auf dem Vorspulknopf. Mit dieser kontraproduktiven Methode konnte ich mir zehn Songs innerhalb von fünf Minuten anhören. Im Grunde behielt ich die Kopfhörer nur in den Ohren, um unerwünschte Eindringlinge abzuwehren, namentlich diese jungen, funkigen Freaks, die im Verkauf arbeiten. Die mit dem ansteckend nervigen Enthusiasmus und so weiter. Diese ganze »Wie geht’s uns denn heute?«-Tour. Diese gleichgeschalteten, unterbezahlten Typen schaffen es sogar, das Offensichtliche zu entdecken: Ich meine, ich bin in einem Geschäft, krame Regal um Regal voller überteuerter Einheitsklamotten durch, und dann sehe ich aus dem Augenwinkel, wie einer von diesen Grinsegesichtern sich an mich heranschleicht, ausstaffiert mit gegelten Haaren, engen Jeans und einem Ramones- T-Shirt, und mich fragt, ob ich »heute zum Shopping unterwegs« bin.
    Und dann kommt gleich die nächste Killerfrage: »Kann ich dir irgendwie behilflich sein?«
    Ich meine, wie schwierig ist es, sich Klamotten anzusehen? Es kostet keine Mühe, die Unterstützung erforderlich machen würde.
    »Ja, in der Tat, ich brauche deine Hilfe. Könntest du bitte meine Augen drei Millimeter weiter nach links verschieben?«
    »Kein Problem.«
    »Und was ist das, was ich da sehe?«
    »Nun, das ist ein T-Shirt.«
    »Ein T-Shirt? Und was macht man damit?«
    IDIOTEN.
    Ich bin nicht sicher, ob das eine spezielle Eigenheit von Glasgow oder eine Seuche ist, die die ganze Verkaufsbranche betrifft.
    Ich brauchte zwei komplette Tage, in denen ich durch die Straßen streunte, bis ich zur Vernunft kam. Um genau zu sein, war es der Besuch eines Ladens für Künstlerbedarf, der mir klarmachte, wie vollkommen lächerlich ich mich benahm. Ein paar Wochen zuvor war Rosie mit mir in ebendiesen Laden gegangen. Ich hatte ihr geholfen, Ölfarben, ein paar kleine Leinwände, einen Miro- Kalender und ein Skalpellmesser zu kaufen. Um ehrlich zu sein, beschränkte sich mein hilfreicher Beitrag auf den Kalender.
    Ich erinnerte mich, dass ich zu der Zeit mit Rosie glücklich war. Der Besuch des Ladens war ein Teil ihrer Führung durch Glasgow, der offiziellen Führung, die mir seit Wochen versprochen worden war. Im Austausch gegen Gitarrenunterricht. Nach dem Kunstladen zeigte sie mir die wundervolle Galerie, die neben dem imposanten Gebäude der Universität steht – ein großer Bruder, der ein kleineres Geschwisterkind bewacht. Es war ein großartiger Anblick. Beide versuchten, einander an Dominanz und Schönheit zu überbieten. Die eine war ein architektonisches Schmuckstück, die andere ein gotischer Monolith. Ich glaube, Rosie hoffte im Stillen, dass die Aura mir in die Poren steigen und zumindest die Universität mich verführen würde, sie zu meiner Lehranstalt zu wählen. Wir bewegten uns zwischen den Studenten hin und her und fühlten uns unter ihnen merkwürdig erwachsen.
    Anschließend führte sie mich zu einem fantastisch billigen Musikladen. Klassischen Bowie, Waits und Dylan für einen Fünfer. Northern Soul: Dance Floor Fillers für drei Pfund. Bücher von Bukowski und Beckett für zwei Pfund. Es war das Paradies für mich. Sie zeigte mir, wie ich von meinem Wohnort dorthin kommen konnte. Eine kurze Fahrt

Weitere Kostenlose Bücher