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Der Junge, der sich in Luft auflöste

Der Junge, der sich in Luft auflöste

Titel: Der Junge, der sich in Luft auflöste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Dowd
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zwanzigste Buchstabe des Alphabets. E ist der fünfte und D der vierte. Es war, als hätte der Personenzähler meinen Namen registriert: 20 – 5 – 4. TED. Vielleicht war dies mein Glückstag! Vielleicht würde ich Kat finden. Und vielleicht würden wir den fremden Mann finden. Und das würde uns vielleicht zu Salim führen. Vielleicht …
    Vielleicht gar nichts. Als ich die große Halle betrat, riss ich die Augen auf. Motoren heulten, Reifen quietschten, Filmfetzen plärrten, Lichter blitzten, Musik wummerte. Überall hing der Geruch nach Benzin und Poliermittel. An den einzelnen Ständen waren die Namen der Motorräder zu lesen: Honda, Yamaha, Suzuki. An einem stand: WILLKOMMEN IM BIKER-PARADIES. Es war mehr eine Biker-Hölle.
    Die Farben waren Chrom, Schwarz und Stahlblau.
    Die Geräusche waren summende Motoren und wummernde Bässe.
    Eine Riesenleinwand zeigte Motorradfahrer, die direkt auf einen zurasten.
    Winkende Mädchen in Lederbikinis saßen auf Motorrädern, die von der Decke hingen und nirgendwo hinfuhren.
    Ich wusste nicht, wo ich hingucken sollte. Andauernd steckten mir irgendwelche Leute Reklamezettel zu und befestigten Sticker an meinem Sweatshirt. Eine Frau gab mir ein Los für eine Tombola. Darauf stand: TEILNAHME GRATIS! GEWINNE EINE DAMENLEDERKLUFT.
    Was immer das war, ich wollte es nicht. Ich wollte Kat.
    Ich lief an den lauten Ständen vorbei. Ein Mann mit Nietenhandschuhen und Tätowierungen am Hals kam auf mich zu und begann auf mich einzureden, als würden wir uns schon ein Leben lang kennen. Er benutzte einen Haufen Wörter, die ich nicht kannte. GSX. Scheibenbremsen. Die Harley V-Rod. VFR. Kawasaki. Dann hielt er inne.
    Â»Vielleicht bist du ja mehr der Tornado-Typ?«, sagte er. Er legte mir eine Hand auf den Arm und zeigte auf ein Modell, das über unseren Köpfen hing und auf dem ein gemalter silberfarbener Tornado zu sehen war, kurz bevor er den Erdboden berührte.
    Â»Hmpf«, sagte ich; meine Hand schlackerte.
    Â»Du hast Recht. Das ist die beste«, schwärmte er. »Die Crème de la Crème der Motorräder, die einzig wahre, die …«
    Ich ergriff die Flucht.
    Im nächsten Moment kam eine Durchsage über Lautsprecher: »Kommt zur Startrampe in Halle 2, zur Vorführung der Freestyle-Jumper. Beeilt euch, die Show beginnt in zwei Minuten.«
    Alles bewegte sich in dieselbe Richtung und die Menge riss mich mit und schob mich in eine andere große Halle. Dort stand in der Mitte eine riesige Rampe, die aussah, als benötigte man eine Bergsteigerausrüstung, um hinaufzugelangen. Mitten in der Luft hörte sie plötzlich auf, wie eine Straße, die ins Nichts führte. Mit einem ungeheuren Dröhnen heulte plötzlich ein Verbrennungsmotor auf. Er sprang mit einem WRRRRRRRRRRRIIINNG an und klang dabei immer höher und schriller. Dann sah ich es: einen Blitz aus Chrom, einen weißen Helm, ein raketengleiches In-die-Höhe-Schießen. EinMotorrad kurz vor dem Sprung. Es verlor den Kontakt zum höchsten Punkt der Rampe und flog weiter nach oben. Fast streifte es das Dach. Dann fiel es, tiefer und tiefer.
    Ich musste die Augen schließen, denn wer auch immer auf der Maschine saß, musste unweigerlich zerschmettert werden und sterben, und das wollte ich nicht sehen.
    Die Menge klatschte und johlte. Ich öffnete die Augen. Das Motorrad war viele Meter weiter hinten gelandet. Ich spürte ein Brennen in der Speiseröhre. Die Hände hatte ich auf die Ohren gepresst. Der Fahrer war ein Verrückter! Er hielt an, stieg von seiner Maschine und nahm den Helm ab.
    Lange blonde Locken quollen hervor. Es war eine Frau, kein Mann. Männlich oder weiblich, je nachdem, wie man es betrachtet. Die Zuschauer schnappten nach Luft. Dann mehr Applaus, Begeisterungsschreie, Getrampel. Die Frau lachte, schüttelte ihr Haar und schwenkte ihre Lederhandschuhhand. Dann stieg sie wieder auf ihre Maschine und jagte zurück zum Start.
    Wieder ein Dröhnen, ein neuer Wettbewerbsteilnehmer, wieder ein Blitzstart, ein neuer verrückter Sprung, Freestyle, dann der nächste.
    Beim letzten Sprung geschah ein Wunder. Ich entdeckte Kat. Sie stand nur ein paar Meter von mir entfernt, vorne an der Absperrung, und starrte zu den Springern hinauf. Ihre Augen und ihr Mund waren weit aufgerissen und so rund wie drei fliegende Untertassen.
    Ich ging zu ihr hinüber und zog sie am

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