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Der Junge, der sich in Luft auflöste

Der Junge, der sich in Luft auflöste

Titel: Der Junge, der sich in Luft auflöste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Dowd
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sie.
    Der Fremde stand nun genau vor uns.
    Kat trat vor. »Entschuldigen Sie, Sir!«, rief sie.
    Der Mann sprach in sein Funkgerät. Er drehte sich um, entdeckte Kat, hob abwehrend eine Hand und sprach weiter.
    Wir warteten.
    Â»Over and out«, sagte er in sein Funkgerät. Er starrte Kat direkt an. »Was kann ich für dich tun, junge Dame? Bist du verlorengegangen?«
    Dann lächelte er. Es war ein Lächeln, das mir nicht gefiel. Eine Augenbraue hob sich, er legte den Kopf schief und musterte Kat von oben bis unten. Dann bemerkte er mich. Meine Hand schlackerte nach oben und mein Kopf kippte zur Seite. Er riss die Augen auf, seine Lippen öffneten sich ganz leicht, dannwarf er einen Blick über seine Schulter und trat von einem Bein aufs andere. Im nächsten Augenblick verzog sich sein Gesicht wieder zu einem Lächeln; ein nanosekundenschneller Wechsel.
    Â»Seid ihr verlorengegangen?«, fragte er wieder.
    Kat lächelte zurück. »Nein«, sagte sie.
    Â»Na dann ab mit euch. Viel Spaß.«
    Â»Wir sind nicht verlorengegangen«, erklärte Kat. »Aber wir kennen jemanden, der es ist.«
    Â»Ach?«
    Â»Wir dachten, Sie könnten uns vielleicht behilflich sein.«
    Â»Wenn ihr jemanden verloren habt, geht zum Infostand. Die machen dann eine Durchsage.«
    Â»Er ist nicht hier verlorengegangen, sondern vor zwei Tagen. Am Londoner Riesenrad.«
    Der Mann zuckte mit den Schultern. »Und?«
    Â»Ich meine, wirklich verlorengegangen. Die Polizei fahndet nach ihm. Es passierte, kurz nachdem Sie zu uns rüberkamen und uns das Ticket gaben. Erinnern Sie sich?«
    Der Mann starrte uns eine ganze Weile an. Ich beobachtete seine Augen. Sie verengten sich ein wenig. Die Pupillen schienen kleiner zu werden.
    Â»Das Riesenrad …«, sagte er. »Dann hab ich euch da also schon mal gesehen. Ich vergesse niemals ein Gesicht.«
    Â»Sie erinnern sich?«
    Â»Ja, jetzt erinnere ich mich. Ich leide unter Höhenangst, versteht ihr. Da kriege ich furchtbare Schwindelanfälle. Ihr seid die Kinder, denen ich das Ticket gegeben habe, nicht wahr?Aber ich weiß nichts über euren verschwundenen Freund. Nett, euch wiederzutreffen. Was für ein Zufall, was?«
    Ich wollte ihm gerade etwas zu den Buchstaben auf seinem T-Shirt erklären, aber Kat versetzte mir einen Stoß mit ihrem Ellbogen, was »Sei still!« bedeutet.
    Â»Ja, Zufall«, sagte sie.
    Â»Mögt ihr Motorräder?«
    Â»Ja«, sagte Kat. »Sie sind toll.«
    Â»Dieses Jahr ist die Show fantastisch. Die beste bisher. Habt ihr das Freestyle-Springen gesehen?«
    Â»Ja.«
    Â»Und hat’s euch gefallen?«
    Â»Sie waren genial.«
    Â»An eurer Stelle würde ich in Halle 2 zurückgehen. In ein oder zwei Minuten gibt es dort Unterricht auf den leichteren Rollern.«
    Â»Echt?«
    Â»Ihr werdet in einem Affenzahn um die Leitkegel herumflitzen.«
    Â»Ehrlich?«
    Â»Na klar. Ab mit euch. Grüßt meinen Kumpel John dort. Er wird euch als Erste auf eine Maschine setzen, wenn ihr ihn von mir grüßt.«
    Â»Wow … danke.«
    Â»Nichts zu danken. Ich hoffe, ihr findet euren Freund wieder.« Er salutierte mit seinem Funkgerät an der Stirn, lächelte und lief weiter.
    Â»Hmpf«, sagte ich.
    Kat legte den Kopf schief und machte ein langes Gesicht. »Verdammt«, fluchte sie.
    Wir standen da, und während die vorbeidrängenden Leute uns anrempelten, sahen wir zu, wie der fremde Mann in der Menge verschwand, genau wie er es am Riesenrad getan hatte.
    Â»Sackgasse«, sagte Kat. »Hätt ich mir auch denken können.«
    Â»Was hättest du dir denken können?«, fragte ich.
    Â»Dass es eine Straße ist, die ins Nichts führt.«
    Â»Eine Straße, die ins Nichts führt«, wiederholte ich.
    Â»Plapper mir nicht alles nach! Komm, wie schauen uns die Roller-Fahrstunde an.«
    Sie zog mich zurück in die zweite Halle und fand den Mann namens John. Ich sah zu, wie Kat auf einen Motorroller stieg, mit Helm. Sie fuhr los. Sie wackelte, schwankte, ließ den Motor aufheulen und kicherte. Meine Hand schlackerte jedes Mal, wenn sie wendete, weil es so aussah, als würde sie herunterfallen und sich das Genick brechen. Sie fuhr schlingernd um die Leitkegel und gab wieder Gas. Ich sah zu. Dann schloss ich die Augen, steckte meine Hand in die Jackentasche und dachte nach.
    Salim, der verschwindet. Die Polizei,

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