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Der Junge, der sich in Luft auflöste

Der Junge, der sich in Luft auflöste

Titel: Der Junge, der sich in Luft auflöste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Dowd
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Ärmel ihrer Fellkragenjacke. Zuerst bemerkte sie es nicht. Ich zog noch mal.Sie fuhr herum. Ihre Augen wurden noch größer, dann kniff sie sie zusammen und ihr Gesicht zerknautschte und wurde klein und gemein, und sie brüllte mir so laut ins Ohr, dass es wehtat.
    Â»Verdammt noch mal, Ted! Was machst du denn hier?«

28
    Begegnungen
    Â»Kat«, sagte ich. Mein Kopf kippte zur Seite. Obwohl ihre Stimme wie ein Überschallknall war, der mein Trommelfell zum Platzen brachte, freute ich mich. Mr Shepherd ermahnt mich immer, bei der Begrüßung zu lächeln, also lächelte ich. »Kat.«
    Kat blickte sich in alle Richtungen um, ihre Stimme wurde zu einem leisen Zischen. »Bist du allein?«
    Â»Ja.«
    Â»Tante Glo … Mum … Sie sind nicht bei dir?«
    Â»Nein.«
    Â»Sie sind immer noch zu Hause?«
    Â»Ja.«
    Â»Du hast mich nicht verraten?«
    Â»Nein.«
    Sie umarmte mich. »Respekt, Bruder. Aber was glauben sie denn, wo wir sind?«
    Meine Hand schlackerte und ich hinderte sie daran, indem ich sie mit der anderen Hand nach unten drückte. »Nicht beiTiffany, Kat«, erklärte ich. »Sie glauben, dass wir schwimmen gegangen sind.«
    Kat sah mich an und ihr Kopf wackelte auf und ab wie bei diesen Spielzeughunden, die im Auto hinten auf der Gepäckablage sitzen. »Noch eine Lüge, Ted. Eines Tages wirst du fast normal sein.«
    Ich erzählte ihr, wie ich mich in der U-Bahn zurechtgefunden hatte. Wie ich das Rätsel der fehlenden Buchstaben gelöst hatte. Wie ich beim Security-Kommando angerufen und mit der Aushilfe gesprochen hatte.
    Â»Ich war bei ihr«, sagte Kat. »Ich bin da persönlich aufgetaucht. Ihr Name ist Claudette und sie raucht eine Zigarettenmarke, die Charisma heißt.«
    Â»Sie hat von dir gesprochen«, erzählte ich. »Sie meinte, du hättest nach demselben Mann gefragt. Und Kat …«
    Â»Ja?«
    Â»Das war eine gute Lüge, die du erzählt hast.«
    Â»Welche denn?«
    Â»Die mit dem Asthma-Inhalator.«
    Â»Ja, da war ich stolz drauf. Hat auch gut funktioniert. Sie hat mir seinen Namen gesagt, Christy, und wo er ist. Und dann hat sie mir alles über ihr Liebesleben erzählt. Sie hat gemeint, sie langweilt sich zu Tode. Sie hat sich die Fingernägel gefeilt, Kaugummi gekaut und geraucht, alles gleichzeitig. Und rate mal, was noch?«
    Â»Was denn?«
    Â»Sie hat mir eine Kippe angeboten.«
    Â»Hmpf.«
    Â»Und ich hab sie auch genommen.«
    Â»Hmpf.«
    Â»Hmpf mich nicht an, Ted. Ich hab sie nicht geraucht. Nicht richtig. Ich habe nur ein- oder zweimal dran gezogen. War nicht meine Marke. Die hat nach Kuhstall geschmeckt.«
    Wir machten zusammen einen Rundgang durch die erste Halle. Kat schien nichts dagegen zu haben, dass ich da war. Ihre Blicke schossen in alle Richtungen. »Ach, was gäb ich drum, selber eins zu haben«, flüsterte sie. Dann fing sie mit der Biker-Sprache an. »Honda VFR … Buell Firebolt … Guzzi« , murmelte sie vor sich hin und zog mich an den Ständen vorbei. Ich kam kaum mit. Sie zeigte auf den metallfarbenen Lack, bewunderte die größten und schnellsten Modelle. Sie war im Biker-Paradies. Ich war in der Biker-Hölle. Weshalb, fragte ich mich, hätten wir den fremden Mann nicht an einem etwas ruhigeren Ort aufspüren können? Auf einer Blumenschau oder Antiquitätenausstellung zum Beispiel? Oder irgendwo, wo es wirklich interessant war, wie im Museum für Wissenschaft und Technik?
    Und dann sahen wir ihn.
    Ihn. Er stand sechs Meter von uns entfernt, in denselben Kleidern, die er an dem Tag am Riesenrad getragen hatte, die Jacke ausgenommen, und er sprach in ein Funkgerät. Kat zog mich hinter einen Stand. Ich riss mich von ihr los.
    Â»Ich will nicht, dass er dich sieht«, zischte sie.
    Â»Warum denn nicht?«
    Â»Ich erledige das allein.«
    Â»Aber …«
    Â»Kein Aber.«
    Â»Ich komme mit, Kat.«
    Â»Nein, tust du nicht. Das ist ein Befehl.«
    Â»Ein Befehl?«
    Â»Ja. Ich kann Befehle geben. Weil ich älter bin.«
    Â»Ich bin klüger. Hast du gesagt.«
    Â»Quatsch.«
    Â»Hast du, Kat. Du hast gesagt, dass du meinen Verstand brauchst.«
    Kats Nasenflügel bebten, was sie immer tun, wenn Kat kurz davor ist, wie ein Supervulkan zu explodieren. Aber dann vergaß sie es plötzlich und packte mich. »Er kommt rüber!«, flüsterte

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