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Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Titel: Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Henrik Nielsen
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draußen.
    Nanna nimmt ein Glas und bringt es ihrem Vater.
    »Woher weißt du, dass es nicht giftig ist?«, fragt sie.
    »Es ist dasselbe Wasser, das wir unten im Bunker getrunken haben. Der Brunnen ist tief. Besseres Wasser gibt es nicht«, sagt er, lächelt und schwenkt das Glas aus, bevor er es volllaufen lässt und trinkt.
    »Das tut gut«, sagt er. »Probiert mal.«
    Nanna füllt zwei Gläser und stellt eines vor Fride ab. Hier, in der warmen, trockenen Luft schmeckt das kalte Wasser so gut, wie es in dem feuchten Bunker nie zuvor geschmeckt hat.
    »Ich vermisse Mama«, sagt Nanna.
    »Ich auch«, sagt Papa. »Sie wusste immer, was zu tun ist.«
    »Ich vermisse Mama auch«, sagt Fride.
    »Ja, natürlich tust du das«, sagt Papa und lächelt sie an.
    »Was machen wir jetzt?«, fragt Nanna.
    »Ich weiß es nicht«, sagt Papa. »Ich weiß es wirklich nicht.«
    »Ich will nicht zurück in den Bunker«, sagt Fride.
    »Ich auch nicht«, sagt Nanna. »Denkst du, dass es jetzt sicher ist?«
    »Keine Ahnung. Ich kann euch nichts versprechen. Wirmüssen uns erst vergewissern, dass keine Gefahr mehr besteht. Versteht ihr das?«
    »Ja«, sagen sie.
    »Aber können wir noch ein bisschen oben bleiben?«, fragt Nanna.
    »Ja, wir probieren es. Aber ihr müsst im Haus bleiben und im Garten, wo ihr vom Land aus nicht zu sehen seid. Ich muss euch die ganze Zeit im Blick haben. O.k.? Und ihr dürft nichts anfassen, von dem ihr nicht wisst, was es ist, so wie tote Tiere zum Beispiel. Es könnte da draußen noch immer ansteckend sein.«
    Sie nicken.
    »Ihr seid mutige Mädchen«, sagt er. »Wirklich mutig.«
    Nanna schaut weg, als sie sieht, wie seine Augen feucht werden.
    »Nachts schlafen wir weiter unten. Habt ihr verstanden?«
    Sie nicken.
    »Aber was machen wir jetzt?«, fragt Nanna.
    »Was meinst du?«, fragt Papa.
    »Im Vorratskeller ist kein Essen mehr.«
    Papas Augen verdunkeln sich und er sieht verärgert aus.
    »Woher wisst ihr das? Ihr habt im Vorratslager nichts zu suchen.«
    »Die Tür war offen und wir haben Verstecken gespielt. Fride hat einen Tunnel entdeckt. So sind wir ja auch rausgekommen.«
    Papa sieht sie überrascht an.
    »Ach, so war das also.«
    »Aber das Essen, Papa. Es ist ja fast nichts mehr übrig«, sagt Nanna. »Gibt es noch einen anderen Lagerraum?«
    »Nein, unsere Vorräte reichen noch eine Weile. Mama hatmal gesagt, manchmal ist es richtig, ganz still zu liegen, und manchmal ist es richtig zu laufen. Das Problem ist nur zu wissen, wann was gilt. Ich denke, wir sollten versuchen, morgen ein bisschen zu angeln.«
    »Oh, das wird lustig«, sagt Fride. »Fahren wir mit dem Boot raus?«
    »Vielleicht«, sagt Papa.
    »Aber kann man uns da nicht sehen?«, fragt Nanna.
    »Nein, wir bleiben vor der Insel, da sind wir vor Blicken vom Festland geschützt.«
    »O.k.«, sagt Nanna.
    »Aber davon abgesehen denke ich, dass wir heute Abend diese eine Tüte Pfannkuchen machen sollten. Ich drehe jetzt eine Runde über die Insel und ihr bleibt im Haus. Wenn ihr irgendwas seht, rennt ihr runter und schließt die Luke. Ich komme zurecht. Vielleicht könnt ihr hier solange ein bisschen sauber machen?«
    »Oh, ja!«, sagen beide.
    Und während sie putzen, wird es dunkel, der Wind flaut ab und der Himmel färbt sich rot und rosa. Papa kommt zurück und geht in den Bunker, um Essen zu machen.
    »Ist das schön«, sagt Fride.
    »Ja«, sagt Nanna.
    »Es ist so komisch, mitten in den ganzen Farben zu sein.«
    »Wie meinst du das?«, fragt Nanna.
    »Es ist, als ob die Luft und die Farben zusammenhängen. Nicht so wie früher. Da haben wir die Farben nur durch das Periskop gesehen.«
    Fride streckt die Finger in Richtung Fenster aus und schließt die Augen.
    »Ich kann es fühlen«, sagt sie und auch Nanna macht dieAugen zu und spürt, wie die Wärme der Sonne langsam weniger wird. Als sie die Augen wieder aufmacht, ist die Sonne im Meer versunken und ein paar Sterne funkeln am Himmel. Und dann kommt Papa mit einem Teller Pfannkuchen zurück. Sie sitzen zusammen auf dem Sofa in dem dunklen Wohnzimmer und schauen aufs Meer und die Sterne, die sich über den ganzen Nachthimmel verteilen. Die Pfannkuchen sind warm und schmecken süß. Fride kuschelt sich an Papa.
    »Warum können wir keine Kerze anzünden?«, fragt sie und knibbelt an der zur Hälfte heruntergebrannten Blockkerze herum, die auf dem Tisch steht.
    »Wir dürfen auf keinen Fall Licht machen«, sagt Papa. »Sogar eine winzig kleine Flamme ist unendlich weit zu sehen.

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