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Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Titel: Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Henrik Nielsen
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See weggefahren sind. Du hast ziemlich lange geschlafen.«
    »Habe ich? Ich bin so müde.«
    Fride sitzt ganz still und blinzelt, als wäre sie gerade eben inihrem Bett aufgewacht. Nanna hat sie schon oft so sitzen sehen und bei dem Gedanken daran muss sie lächeln. Aber dann verändert sich Frides Gesichtsausdruck.
    »Was ist los?«, fragt Nanna.
    Aber Fride hebt nur eine Hand und zeigt. Nanna dreht sich um. Hinter ihnen steht der Hund und starrt sie reglos an. Dann knurrt er tief und bedrohlich.
    »Dreh um!«, schreit Fride und wirft sich nach unten in den Anhänger.
    Es ist so schwer, das Fahrrad in Gang zu setzen. Als sie endlich ein bisschen Fahrt aufgenommen haben, hören sie die Krallen auf dem Asphalt und der Hund springt ihnen mit einem Heulen nach. Fride schreit und Nanna hat keine Zeit darüber nachzudenken, wohin sie fährt. Sie müssen einfach nur weg. Sie biegt in die Seitenstraße ein, vorbei an dem markierten Autowrack, hinein in die Schatten. Der Hund jagt dem Anhänger nach, verbeißt sich im Gestänge und die dicke Laubschicht auf der Straße macht es immer schwerer voranzukommen. Fride kriecht unter den Schlafsack, um den Pfoten und Krallen zu entkommen, die am Wagen kratzen. Knurrend versucht der Hund, in den Anhänger zu springen.
    »Schlag ihm auf den Kopf!«, ruft Nanna.
    »Dem Hund?«
    »Ja!«
    »Womit denn?«
    »Nimm die Taschenlampe. Sie steckt im Rucksack.«
    Nanna versucht, nach Fride zu schauen, ohne dabei den Weg aus den Augen zu verlieren. Die Bäume sind mit gelben Kreisen markiert. Aus den Augenwinkeln sieht sie, wie Fride sich aufsetzt und beide Hände über den Kopf hebt. Dann schlägt siedem Hund so fest sie kann auf den Kopf. Er lässt los und rollt zur Seite. Das Fahrrad schießt förmlich nach vorne und Nanna fährt weiter durch das dichte Laub. Der Hund bleibt winselnd liegen.
    »Gut gemacht, Fride!«, ruft Nanna ihr zu.
    Fride kniet noch immer im Anhänger und schaut zurück.
    Die Taschenlampe ist an und sie beleuchtet den Weg hinter ihnen.
    Bäume mit gelben Kreisen rasen an ihnen vorbei. An einem Laternenmast hängt eine gelbe Fahne zwischen Stromleitungen, die auf die Straße gestürzt sind. Nanna duckt sich, um den Kabeln auszuweichen. Noch nirgends haben sie so viele gelbe Markierungen gesehen. Die ganze Straße sieht aus, als wäre sie eine einzige Sperrung. Mitten auf dem Weg stehen große Ölfässer, die gelb angemalt sind. Es ist unmöglich, daran vorbeizufahren. Nanna bremst und steigt ab.
    »Siehst du den Hund, Fride?«
    »Nein«, sagt Fride und lässt den Strahl der Taschenlampe auf und ab wandern.
    Hinter der Absperrung ist ein hoher Zaun aus Wellblech errichtet worden, der ebenfalls mit gelben Kreisen übersät ist. Ein Tor ist nicht zu sehen. Aber hier im Wald ist es auch schon ziemlich dunkel und es ist schwierig, zwischen den Bäumen etwas zu erkennen.
    »Ich fürchte, wir müssen umdrehen«, sagt Nanna.
    »Warum denn?«
    »Mir gefällt das hier nicht.«
    »Mir auch nicht. Aber was ist mit dem Hund?«
    »Wir müssen irgendwie zurück zur Tankstelle, bevor es richtig dunkel ist. Ich glaube, da ist es am sichersten.«
    Nanna steigt wieder auf und will gerade losfahren, als sie ein Keuchen und Bellen hört, das näherkommt.
    »Das ist der Hund«, sagt Fride und leuchtet um sich.
    Das Licht flackert zwischen den Bäumen.
    »Leuchte auf die Straße«, sagt Nanna, während sie in die Pedale tritt. Sie will einen Bogen fahren, um zu wenden.
    »Nicht da lang!«, ruft Fride.
    »Wir müssen«, ruft Nanna. »Leuchte auf die Straße!«
    Fride hält das Licht auf den Weg gerichtet. Sie können die Schritte und das Keuchen des Hundes jetzt ganz deutlich hören. Die Anhängerstange verkeilt sich und Nanna rammt sich den Lenker in den Bauch.
    Da taucht der Hund im Lichtkegel auf. Er kommt direkt auf sie zu.
    »Komm, wir müssen rennen!«, ruft Nanna.
    Sie springt vom Rad und zerrt Fride aus dem Anhänger. Sie rennen an der Absperrung vorbei und folgen dem Wellblechzaun. Nanna versucht, irgendwo eine Öffnung zu entdecken, aber da ist nichts, was einer Tür ähneln würde. Fride verliert die Taschenlampe und lässt Nannas Hand los.
    »Fride!«, schreit Nanna.
    Der Hund setzt hinter Fride zum Sprung an – da kracht es. Ein hoher, scharfer Knall und der Hund wird gewaltsam nach hinten geschleudert. Fride stürzt auf Nanna. Sie hören ein schrilles, metallisches Knirschen und in der Wellblechwand wird eine Tür aufgestoßen. Nanna merkt, wie sie in eine dunkle Öffnung gezogen

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