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Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Titel: Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Henrik Nielsen
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Limonade?«
    »Doch, selbstverständlich«, antwortet Nanna und öffnet die Wasserflasche.
    Sie essen schnell und albern noch ein bisschen weiter herum. Die Sonne steht schon tief am Himmel und hüllt alles in einen goldenen Schimmer. Da, wo das Wasser nicht mit braungelben Seerosenblättern bedeckt ist, ist die Oberfläche spiegelglatt.
    »Es war komisch mit dem Mann«, sagt Fride auf einmal. »Er war so traurig. Warum war er so?«
    »Ich weiß es nicht«, sagt Nanna. »Vielleicht, weil er alleine ist.«
    »Ich wünsche mir, dass wir jemanden treffen, der fröhlich ist. Und Kinder. Ein paar andere Kinder, mit denen wir spielen können.«
    »Ich auch.«
    »Ich will baden«, sagt Fride. »Ich habe noch nie draußen gebadet. Bitte!«
    Nanna denkt nach. Unterhalb des Rastplatzes ist ein kleiner Sandstrand und das Wasser scheint bis zu den Seerosenblättern ziemlich flach zu sein.
    »O.k.«, sagt sie. »Aber wir haben nicht viel Zeit. Wir müssen noch eine sichere Stelle für die Nacht finden.«
    Sie gehen ans Ufer, legen ihre Kleider auf einem Felsen ab und waten in den Weiher. Das Wasser ist angenehm und Nanna macht ein paar vorsichtige Schwimmzüge.
    »Du kannst ja schwimmen«, ruft Fride.
    »Ein bisschen. In der Stadt habe ich einen Kurs gemacht. Im Keller der Schule. Aber das ist lange her.«
    Fride folgt ihr ins Wasser.
    »Es ist so schön, dass ich nicht stillstehen kann«, sagt sie und setzt sich hin. Nur ihr Kopf schaut noch aus dem Wasser.
    Nanna schwimmt vorsichtig bis zu den Seerosenblättern und setzt dabei ab und zu einen Fuß auf den Grund. Der kalte Schlamm lässt sie schaudern. Sie gleitet durch das Wasser und es kommt ihr fast so vor, als wären Wasser und Luft eins. Ihr Körper fühlt sich leicht und weich an, ihre Muskeln tun nicht mehr so weh.
    »Ich will sie anfassen«, sagt Fride und folgt Nanna.
    Inzwischen sind sie ganz umgeben von großen Seerosenblättern, die glitschigen Stängel streifen ihre Beine.
    »Alles ist so still«, sagt Nanna und genau in diesem Moment verändert sich etwas und sie bekommt Angst.
    Sie lauscht und starrt vorbei an den Binsen mit ihren starren Stängeln, vorbei an den Wollgrasbüscheln, die welk und grau nach unten hängen. Sie schaut hoch zur Straße. Das Fahrrad steht weithin sichtbar neben dem Picknicktisch und der Rucksack liegt daneben. Alles, was sie brauchen, ist dort oben. Wie konnten sie nur so dumm sein? Sie könnten längst in voller Fahrt auf dem Weg in die Stadt sein.
    Und dann hört sie es. Kleine Zweige, die im Wald brechen. Etwas, das sich langsam auf sie zubewegt.
    »Da kommt jemand«, flüstert sie Fride zu.
    Aber sie kann sehen, dass Fride es schon gemerkt hat. Ihre ängstlichen Augen sind fast ganz hinter ein paar großen Seerosenblättern versteckt.
    »Steh ganz still, sonst nichts«, flüstert Nanna und taucht zwischen den Blättern unter.
    Noch ist nichts zu sehen, aber die Geräusche kommen immer näher. Sie bewegen sich am Waldrand vor und zurück. Nanna versucht so tief untergetaucht zu bleiben, wie es nur geht. Ein Zittern durchfährt ihren Körper. Das Wasser, das eben noch so schön war, ist jetzt kalt. Sie schaut zu Fride. Zum Glück steht sie reglos zwischen den Blättern, den Mund fest zusammengekniffen. Wie tapfer sie ist, denkt Nanna. Sie tut einfach, was man ihr sagt, ohne zu sich zu beschweren. Vielleicht denkt sie, dass das Leben so ist. Dass das alles hier normal ist und dass man außerhalb des Bunkers nichts anderes erwarten kann.
    »Du machst das toll«, flüstert sie Fride zu.
    Fride nickt nur vorsichtig und presst die Lippen noch fester aufeinander.
    Nanna schaut zum Waldrand. Die Geräusche sind noch immer da und die Büsche bewegen sich, aber es ist nichts zu sehen. Dann zittern die Binsen und aus dem Dickicht springt ein riesiger, schwarzer Hund. Er schnüffelt, läuft ans Ufer und wieder zurück. Der Hund ist groß und abgemagert, man sieht seine Rippen durch das struppige Fell. Er wittert, den Kopf in Richtung der Binsen gedreht, plötzlich bleibt er stehen, schaut aufmerksam und stellt die Ohren auf.
    Nanna zwingt ihren Körper, nicht zu zittern. Sie beißt die Zähne zusammen und ballt die Finger um die dünnen, schmierigen Stängel der Seerosen.
    Dann bellt der Hund und rennt in großen Sprüngen zum Fahrrad und dem Rucksack. Mit einem Satz ist er auf dem Tisch und fängt an, die Reste der Leberwurst in sich hineinzuschlingen. Er kaut gierig auf der flachen Dose herum und beißtsie in Stücke, bevor er zurück auf den

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