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Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Titel: Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Henrik Nielsen
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geworden.«
    »Wie krank denn?«
    »Wir glauben, es ist die Krankheit«, sagt Nanna leise.
    »So, so«, sagt Alma und runzelt die Stirn. »Wieso glaubst du das?«
    »Es kam ganz viel Schleim aus seinem Mund. Und außerdem hat Papa es selbst gesagt.«
    »Und jetzt seid ihr hier?«
    »Ja. Wir müssen in die Stadt, um Medizin zu holen. Wir hatten nur noch so wenig übrig.«
    »Ihr seid mutige Mädchen. Macht euch einfach auf den Weg in die Stadt, ganz alleine.«
    Nanna nickt.
    »Aber was habt ihr nur die ganzen Jahre gegessen?«
    »Essen aus Dosen. Manches davon schmeckt gut und manches nicht.«
    »Und Kekse«, sagt Fride.
    »Dann sollt ihr heute Abend mal etwas anderes bekommen. Aber erst mal badet ihr beiden.«
    Nanna und Fride gehen ins Bad und steigen in die große,dampfende Wanne. Das Wasser duftet herrlich nach Seife. Sie legen sich jede an einem Ende der Wanne hin und schließen die Augen.
    »Denkst du, die Leute sind nett?«, flüstert Fride.
    »Ja. Das denke ich.«
    »Ich auch. Was glaubst du, woher sie das Licht und das warme Wasser haben?«
    »Keine Ahnung. Und die Frau hat gesagt, sie haben anderes Essen als Konservendosen«, sagt Nanna.
    »Vielleicht haben sie ja auch Medizin? Dann müssen wir vielleicht gar nicht in die Stadt? Ich hoffe es auf jeden Fall«, sagt Fride und legt den Kopf nach hinten in das warme Wasser.
    Sie bleiben in der Badewanne, bis ihre Finger ganz schrumpelig sind und Alma ruft, dass das Essen fertig ist. Auf einem Stuhl liegen zwei viel zu große gestreifte Pyjamas für sie bereit. In der Küche sitzt der Mann schon am gedeckten Tisch. Er lacht glucksend hinter seinem langen, weißen Bart, als sie in den riesigen Schlafanzügen auftauchen.
    »Sehe ich darin etwa auch so aus, Alma?«, sagt er lachend. »Kommt und setzt euch, Mädchen.«
    Fride und Nanna setzen sich auf die Bank an der Wand und machen große Augen, als Trym sie mit einer dampfenden, heißen Suppe versorgt.
    Fride starrt auf den Teller.
    »Was ist das?«, fragt sie.
    »Elch«, sagt Alma.
    Fride und Nanna stürzen sich auf das Essen.
    »Ich habe noch nie etwas so Leckeres gegessen«, nuschelt Fride zwischen zwei Löffeln.
    Nanna nickt nur. Sie hatte ganz vergessen, wie gut Essenschmecken kann. Ein wohliges, warmes Gefühl breitet sich in ihr aus.
    »Aber woher habt ihr das Essen?«, fragt Nanna.
    »Aus dem Wald«, sagt Trym.
    »Aus dem Wald? Gibt es lebendige Tiere im Wald? Ist die Katastrophe vorbei?«
    »Nein, leider nicht«, sagt er ernst. »Es ist lange her, dass es hier Tiere gegeben hat. Dieses Fleisch ist alt. Aber es stammt aus dem Wald.«
    »Du redest in Rätseln, Trym. Die Mädchen verstehen kein Wort, das siehst du doch. Also, ich erkläre es euch. Der Wald hier war immer voller Tiere: Elche, Rehe und Vögel. Und Trym hat gejagt. Ich wäre fast verrückt geworden. Wir haben eine Kühltruhe nach der anderen gefüllt.«
    »Was ist eine Kühltruhe?«, fragt Fride.
    »Fride«, sagt Nanna und schüttelt den Kopf.
    »Aber ich weiß doch nicht, was eine Kühltruhe ist«, sagt Fride gekränkt.
    »Schon gut, schon gut«, sagt Alma. »Eine Kühltruhe ist eine große Kiste, die das Essen gefroren hält. Fleisch und andere Lebensmittel bleiben in einer Kühltruhe frisch. Wir konnten gar nicht alles aufessen, bevor neues Fleisch hinzukam. Aber als die Katastrophe kam, war es gut, dass es so war. Wir haben genug, um damit auszukommen. Wir sind alt und haben nicht mehr viel Zeit vor uns. Mit euch ist das anders«, sagt Alma und schaut sie sorgenvoll an.
    »Woher habt ihr so viel Strom?«, fragt Nanna.
    Fride blinzelt und ihr Kopf kippt nach vorne, bevor sie sich schnell wieder aufrichtet.
    »Einen Teil liefert uns die Sonne«, sagt Trym. »Solarzellen.«
    »Die haben wir auch«, sagt Nanna. »Es ist nur blöd, wenn sie mal nicht funktionieren.«
    »Ja, nicht wahr?«, sagt Trym. »Deshalb haben wir noch den Bach.«
    Fride fällt der Löffel auf den Teller und sie zuckt zusammen.
    »Du bist müde, Kleine, nicht wahr?«, sagt Alma und schaut Fride an. Fride nickt und reibt sich die Augen.
    »Ja, dann ist es für heute wohl genug«, sagt Alma. »Bei uns könnt ihr unbesorgt schlafen.«

17
    Am nächsten Morgen werden sie von einem Geräusch vor dem Fenster geweckt. Nanna springt aus dem Bett, zieht an der Schnur der dunklen Jalousie und schaut nach draußen. Der alte Mann steht mitten auf dem Hof und schraubt an ihrem Fahrrad. Um ihn herum liegen haufenweise Eisenschrott und Kabel. Die Solarzellen auf dem Schuppendach glänzen

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