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Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Titel: Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Henrik Nielsen
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zu. Mitten auf der Straße bleibt er stehen und schaut sie an. Seine Gesichtszüge sind hart und werden fast ganz von einer Kapuze verdeckt. Sein Blick wandert zwischen Nanna und Fride hin und her. Dann macht er einen Schritt nach vorne. Als wollte er losrennen.
    »In den Anhänger, Fride«, ruft Nanna. »Lass uns in Ruhe!«, brüllt sie den Jungen an, so laut sie kann.
    Er antwortet nicht, sondern kommt noch einen Schritt näher.
    Fride springt in den Anhänger und Nanna lenkt das Fahrrad zu der Öffnung in der Brückensperre. Sie zwingt sich, ruhig an der Absperrung vorbeizufahren, um nicht mit dem Anhänger hängen zu bleiben. Als sie den Lastwagen passiert haben, erhöht sie das Tempo und folgt der großen Allee, die in die Stadt führt. Als Nanna sich das nächste Mal umdreht, ist der Junge verschwunden.
    Sie fahren in der Straßenmitte. Ab und zu versperren Autos den Weg. Die Schaufenster und Restaurants sind dunkel. Nanna schaut sich immer wieder um. Es ist niemand zu sehen, aber sie können unmöglich wissen, ob er ihnen gefolgt ist oder nicht. Sie fahren in die Dämmerung und Nanna wartet fast darauf, dass die Straßenbeleuchtung angeht, aber es wird nur immer dunkler und dunkler und schließlich müssen sie anhalten.
    Nanna biegt in eine schmalere Seitenstraße ab. Die Stadthäuser ragen mit ihren unzähligen dunklen Fenstern hoch in den Nachthimmel. Sterne funkeln und werfen ein fahles Licht auf die Straße.
    »Schau«, flüstert Nanna. »An dem Haus da drüben steht ›Hotel‹.«
    Das Hotel liegt am Ende der Straße. Nanna lenkt das Fahrrad durch die Zufahrt neben dem Eingang in einen dunklen Innenhof. Sie verstecken Rad und Anhänger hinter ein paar Mülltonnen und gehen die kleine Treppe zu einer Hintertür hoch. Durch ein Fenster kann Nanna vage Küchenschränke und Herde erkennen. Sie drückt vorsichtig gegen die Tür und schiebt sie auf.
    »Hier kommen wir rein«, flüstert sie.
    »Wo sollen wir uns verstecken?«, fragt Fride.
    »Im Keller vielleicht?«
    »Nein. Das will ich nicht.«
    »Dann gehen wir ganz nach oben. Da ist es am sichersten, glaube ich. Wir können vom Fenster aus die Straße beobachten.«
    Nanna nimmt die Taschenlampe aus dem Rucksack und schaltet sie an. Sie gehen durch die Küche in einen Speisesaal. Die Tische sind aufeinandergestellt und die Stühle stehen aufgestapelt an der Wand. Als sie raus an die Rezeption gehen, macht Nanna die Taschenlampe aus. Aber der kleine Platz und die Straße vor dem Haus sind leer. Hastig schlüpft sie hinter die Theke und holt einen Zimmerschlüssel.
    »Wir müssen hoch in den fünften Stock«, flüstert sie und geht zur Treppe.
    »Ich glaube nicht, dass hier jemand ist«, sagt Fride.
    »Ich auch nicht.«
    Alle Türen im Flur sind geschlossen und der dicke Teppich dämpft ihre Schritte. Nanna liest die Zimmernummern.
    »Wir müssen da lang«, sagt sie.
    »Hier gibt es aber viele Zimmer«, sagt Fride. »Hat da überall jemand gewohnt?«
    »Nein. Oder ja. Hier haben die Leute gewohnt, wenn sie Urlaub hatten.«
    »Hast du auch hier gewohnt?«
    »Nein. Natürlich nicht. Aber ich war schon in anderen Hotels. Deshalb weiß ich, wo die Schlüssel sind. Jetzt sind wir da«, sagt Nanna und schaltet die Taschenlampe wieder aus.
    »Wieso machst du das Licht aus?«, flüstert Fride.
    »Ich will nicht, dass der Junge weiß, wo wir sind. Für den Fall, dass er uns gefolgt ist.«
    Sie schleichen sich in das Zimmer, das schwach vom Mondlicht erhellt wird. Wie dunkle Schatten stehen die Möbel an der Wand. Nanna schließt die Tür ab und flüstert:
    »Wir müssen irgendwas vor die Tür schieben. Sei still und geh nicht ans Fenster.«
    Vorsichtig schieben sie eine Kommode und ein paar Stühle vor die Tür, dann setzen sie sich auf den Boden.
    »Hast du Hunger?«, fragt Nanna.
    »Nein«, sagt Fride. »Ich bin müde.«
    »Was hast du vorhin gemeint, als du gesagt hast, du hättest doch nicht geträumt? Hast du den Jungen schon mal gesehen?«
    »Ja. Er stand oben auf der Brücke, als wir da geschlafen haben.«
    »Ich habe ihn auch gesehen. Aber ich dachte, ich hätte mich geirrt, weil ich so müde war. Wieso hast du nichts gesagt?«
    »Ich dachte, ich hätte geträumt. Und dann habe ich mich nicht getraut. Hätte ich was gesagt, wären wir weglaufen. Oder du hättest mir nicht geglaubt«, sagt Fride und fängt an zu weinen.
    Nanna nimmt sie in den Arm.
    »Alles wird gut. Aber wenn du das nächste Mal etwas siehst, dann sagst du es mir. Einverstanden?«
    Fride

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