Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
Vom Netzwerk:
»Louis B. Mayer ...«, murmelte er.
    »Wer?«, fragte Cyril.
    Noch einmal blickte Christmas auf die Unterschrift. » Louis B. Mayer, Metro-Goldwyn-Mayer ... «, las er vor.
    »Und was will er?«
    »Keine Ahnung«, erwiderte Christmas und warf den Brief auf den Tisch. Ruth, dachte er wie erschlagen.
    Karl griff nach dem Schreiben. »Lieber Mr. Christmas, aus der Presse haben wir erfahren, dass Sie mit großem Erfolg geheimnisvolle, wirklichkeitsnahe Geschichten erzählen, die die Menschen begeistern« , las er laut vor. »Nach unserer Überzeugung könnte Ihr Talent hier in Hollywood äußerst wertvoll sein. Deshalb würden wir Sie gern in unsere Studios einladen, um Sie kennenzulernen und über mögliche Stoffe mit Ihnen zu sprechen. Sie erreichen mich unter den Nummern ... Bla, bla, bla ... Kosten für Reise und Unterkunft übernehmen wir ... Bla, bla, bla ... Tausend Dollar für die Umstände ... Ihr Louis B. Mayer.«
    Verblüfftes Schweigen erfüllte das Studio.
    »Das Kino ...«, murmelte Sister Bessie nach einer Weile.
    »Das interessiert mich einen Scheiß«, sagte Christmas.
    »Dabei solltest du darüber nachdenken«, riet Karl.
    Christmas blickte weiter zu Boden. »Hollywood interessiert mich einen Scheiß«, beharrte er.
    »Lebt diese Freundin von dir nicht in Los Angeles?«, warf Cyril betont beiläufig ein.
    Christmas’ Kopf ruckte in die Höhe. Aber Cyril hantierte mit ein paar Bolzen herum, als wäre er sehr beschäftigt. »In zwei Minuten gehen wir auf Sendung«, sagte er schließlich.
    Christmas nickte und nahm vor dem Mikrofon Platz.
    »Ich gehe dann«, verabschiedete sich der Herausgeber der Amsterdam irritiert.
    Keiner der anwesenden Männer beachtete ihn. Sister Bessie klopfte ihm auf die Schulter, führte ihn aus dem Zimmer und schloss die Tür.
    »Dreißig Sekunden«, sagte Cyril nach einer Weile.
    »Ich muss euch etwas erzählen ...«, hob da Karl an.
    »Jetzt?«, brummte Cyril.
    Christmas rührte sich nicht. Seine Gedanken drehten sich ausschließlich um Ruth.
    »Wie gesagt, bei all der Werbung werden sie uns irgendwann aufspüren. Und uns den Laden dichtmachen«, fuhr Karl fort.
    »Zwanzig Sekunden.«
    »WNYC will uns übernehmen«, erklärte Karl mit einem unergründlichen Lächeln auf den Lippen.
    Christmas und Cyril sahen ihn an.
    »Sie lassen uns auf unserer Frequenz senden, stellen uns ihr Equipment einschließlich der Studios zur Verfügung, und wir bestimmen das Programm, ohne jede Einmischung«, sprach Karl weiter und zog dabei einen Stapel Papiere aus der Innentasche seiner Jacke. »Hier ist der Vertrag. Wir bleiben Mehrheitseigentümer. Einundfünfzig Prozent gehören uns.«
    »Und was haben wir davon?«, fragte Cyril misstrauisch. »Zehn Sekunden ...«
    »Wir werden eine legale Radiostation. Wir können für uns werben, Gewinne einfahren ...«
    »Sie kriegen die meistgehörte Sendung New Yorks und stellen uns nichts weiter als ihre Studios zur Verfügung?«, fiel ihm Cyril ins Wort. »Das ist alles?« Er schüttelte den Kopf. »Fünf ...«
    Karl lächelte. »Tatsächlich haben sie uns auch ein Übernahmeangebot für die neunundvierzig Prozent gemacht.«
    »... vier ...«
    Karl schlug neben den primitiven Apparaturen von CKC den Vertrag auf und deutete mit dem Finger auf eine Zahl.
    »... drei ... zwei ...«
    »Reichen euch hundertfünfzigtausend Dollar für eure Unterschrift, Partner?«, fragte Karl.
    Cyrils Gesicht verlor augenblicklich alle Farbe. Er sperrte den Mund auf und machte große Augen. Wie ein Roboter drückte er mechanisch auf den Sendeknopf. »Wir sind auf Sendung ... heilige Scheiße«, formten seine Lippen.
    Christmas lachte, und sein Lachen hallte in den Wohnungen und Kneipen der Stadt wider. »Guten Abend, New York ...«, sagte er und lachte erneut.
    Und die Hörer nahmen deutlich das Gelächter von zwei weiteren Männern wahr.

58
    Los Angeles, 1928
    »Was hast du bloß mit Barrymore angestellt?«, fragte Clarence Bailey lachend, als er in Ruths Zimmer kam. »Er erzählt überall herum, es gebe keinen besseren Fotografen als dich.« Er wedelte mit den Fotos, die er in der Hand hielt. »Und wenn ich ehrlich sein soll, gehören die hier nicht zu deinen besten. Im Gegenteil, ich finde sie beinahe ... kalt.«
    Ruth lächelte flüchtig – und irgendwie zweideutig, wie Clarence fand.
    Sofort verfinsterte sich sein Gesichtsausdruck, und in seinem Blick flammte Sorge auf.
    Ruth lachte. »Denken Sie nichts Schlechtes, Clarence«, sagte sie. »Vielleicht haben die

Weitere Kostenlose Bücher