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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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einen Monat dauern, bis wir wieder auf Sendung gehen«, hatte Karl tags zuvor zu ihm gesagt, nachdem sie den Vertrag über den Verkauf ihres Radiosenders an WNYC perfekt gemacht hatten. »Du hast genügend Zeit, um nach Hollywood zu fahren und mit diesem Filmboss zu reden.«
    »Fahr hin«, hatte Cyril ihm geraten und leise hinzugefügt: »Fahr hin und finde sie, Junge.«
    Einmal mehr schaute Christmas hinab auf die Parkbank und fühlte sich hoffnungslos allein. Er ließ den Blick weiter nach hinten schweifen, über den See zum Metropolitan Museum, der 5th Avenue und den dahinterliegenden Dächern der Park Avenue, wo Ruth einst gewohnt hatte. Er schloss das Fenster und schlenderte durch die leere Wohnung. Nichts als ein ungemachtes Bett stand hier, ein Doppelbett, in dem er sich in der ersten Nacht verloren gefühlt hatte.
    Mit einem Schlag war er nun reich. Und er würde immer noch reicher werden. Zusätzlich zu den fünfzigtausend Dollar, seinem Anteil für die abgetretenen neunundvierzig Prozent von CKC, würde er als Sprecher von Diamond Dogs ein Gehalt von zehntausend Dollar im Jahr bekommen und weitere zehntausend als Autor der Sendung. Und mit Karl und Cyril würde er sich den Gewinn aus ihren einundfünfzig Prozent teilen. Ja, er war reich, so reich, wie er es sich niemals hätte träumen lassen. Und das Leben lag noch vor ihm.
    Aus seiner Hosentasche zog Christmas einen Umschlag. Darin steckte ein Fahrschein erster Klasse nach Los Angeles.
    »Fahr hin und finde sie«, hatte Cyril ihn gedrängt.
    Und in dem Moment hatte Christmas begriffen, dass er innehalten und endlich wieder hinschauen musste. Sein Gehetze bis zu diesem Punkt hatte ihn blind gemacht, und fast hätte er sich erneut verloren, wie er sich einst in den Straßen der Lower East Side verloren hatte.
    Christmas schloss die Tür seiner neuen Wohnung hinter sich, fuhr mit dem Aufzug hinunter, trat auf die Straße und dachte, während er sich zu Fuß auf den Weg in die Monroe Street machte, an Joey, an ihre gemeinsamen Jahre in den Speakeasy -Kneipen und daran, dass er bei seiner Beerdigung nichts zu sagen gewusst hatte. Er dachte an Maria, von der er seit ihrem Abschied nie wieder etwas gehört hatte. Und ihm fiel auf, dass die beiden sein Leben so geräuschlos verlassen hatten, wie sie es betreten hatten. Er hatte es kaum bemerkt, weil sein Gehetze bis zu diesem Punkt ihn taub gemacht hatte. Weil sein Leben einzig von seiner eigenen, von den Radios in ganz New York verstärkten Stimme erfüllt gewesen war und er für niemand anders ein Ohr gehabt hatte.
    Weil er der berühmte Christmas von den Diamond Dogs war. Nur das zählte, damals wie heute. Weil er, wie Pep gesagt hatte, den Blick verloren hatte, damals wie heute. Die Unschuld. Aus ihm war ein viertklassiger Schnösel geworden. Ob nun in den Straßen der Lower East Side oder am Radiomikrofon, tat nicht viel zur Sache. Damals wie heute war er nur auf sich selbst konzentriert und hatte sich von einer Krankheit anstecken lassen, die schlimmer war als tausend andere: Gleichgültigkeit. Selbst sein Kummer wegen Ruth und das Gefühl, nicht vollständig zu sein, waren nach und nach Teil des Schauspiels geworden. Sie waren längst sinnentleert, riefen keine tiefgehenden Emotionen mehr hervor.
    »Fahr hin und finde sie.« Wieso nur hatte ihn erst Cyril darauf bringen müssen?
    Er überquerte den Columbus Circle und folgte dem Broadway.
    Er wusste, wieso. Er wusste es genau. Seine Angst war der Grund gewesen.
    Als die Geschäftsführer von WNYC ihm in der Woche zuvor den Scheck über fünfzigtausend Dollar in die Hand gedrückt hatten, hatte die Welt für einen Augenblick aufgehört, sich zu drehen. Es war, als hätte man ihm einen fürchterlichen Schlag auf den Kopf versetzt, der sein Gedächtnis auslöschte. Christmas erinnerte sich nicht mehr, wie er in den Central Park gekommen war. Er hatte keine Ahnung, wie und wann er sich auf die Parkbank gesetzt hatte, in die er mit einem Klappmesser ihre beiden Namen eingeritzt hatte: Ruth und Christmas . Als er wieder zu sich gekommen war, hatte er sich dabei ertappt, wie er dort saß und mit dem Finger die fünf Jahre alte Inschrift nachzog.
    In dem Augenblick hatte er gespürt, wie die Angst in seinem Inneren wuchs. Er war aufgesprungen und weggelaufen. Wie Schutz suchend hatte er den erstbesten Hauseingang betreten.
    Da hatte ihn der Portier angesprochen: »Kommen Sie wegen des Apartments im elften Stock?«
    So hatte er es gefunden, durch Zufall. Weil er

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