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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Fotografin.«
    »Fotografierst du auch Hollywood-Schauspieler?«, wollte Ronnie wissen.
    Ruth zögerte mit der Antwort. »Hin und wieder ... ist das mal vorgekommen, ja.«
    »Cool!«, rief Ronnie.
    »Es ist halb sieben«, sagte Mrs. Slater. »Mein Mann müsste jeden Moment nach Hause kommen. Es gibt Truthahn und Kartoffelauflauf mit Schinken. Was ist? Möchtest du bleiben?«
    In diesem Augenblick kam Mr. Slater zur Tür herein. Er umarmte seine Frau, lockerte die Krawatte, gab Ronnie eine Kopfnuss und klopfte Daniel auf die Schulter, bevor er Ruth offen und freundlich begrüßte. Er war im gleichen Alter wie seine Frau. Auf dem College – so erfuhr Ruth beim Abendessen – hatten sie sich ineinander verliebt, ihre Studienpläne aufgegeben, geheiratet, und er hatte angefangen, Traktoren und landwirtschaftliche Maschinen im Valley zu verkaufen. Ein Jahr später war Daniel geboren worden.
    »Eigentlich wollten wir einen ganzen Stamm gründen«, sagte Mr. Slater. »Stattdessen sind fast siebzehn Jahre vergangen, bis dieses Unheil kam.« Er zeigte auf Ronnie.
    »Ich bin kein Unheil«, protestierte der Junge.
    »Nein, da hast du recht«, gab der Vater zurück. »Du bist ein Wirbelsturm. Und damit du es weißt, ein Wirbelsturm ist viel schlimmer als ein simples Unheil.«
    Ronnie lachte zufrieden, bevor er unversehens den Stuhl zurückschob. »Das hatte ich ganz vergessen!«, rief er. »Guck mal, Papa. Ich hab mir wehgetan. Wird da eine Narbe bleiben?«
    Mr. Slater setzte seine Lesebrille auf und untersuchte die Wunde. »Nein, ich denke nicht.«
    »Aber was, wenn ich noch mal darauf falle ... morgen oder so?«
    »Da gibt es eine ganz einfache Methode«, antwortete der Vater ernst. Er beugte sich vor und griff nach dem großen Messer, mit dem sie den Truthahn zerteilt hatten.
    Für einen Moment blickte Ronnie verstört drein. Dann prustete er los, versteckte jedoch vorsichtshalber das Bein sofort unter dem Tisch.
    »Ich bin hier, wenn du es dir anders überlegst«, sagte Mr. Slater und zwinkerte Ruth zu.
    Da erkannte sie, wem Ronnie ähnlich sah. Auch der Vater hatte ein drolliges Gesicht und leicht abstehende Ohren.
    Nach dem Essen gingen Daniel und Ruth an die frische Luft. Auf der Veranda machten sie es sich in der Hollywoodschaukel bequem und redeten. Daniel erzählte ihr, dass er nach seinem College-Abschluss angefangen hatte zu arbeiten. Sein Vater hatte sich mit einem Autohändler zusammengetan. »In Automobilen liegt die Zukunft«, pflegte Mr. Slater zu sagen. Während er selbst sich weiter auf landwirtschaftliche Maschinen konzentrierte, begann der Sohn eine Lehre als Verkäufer.
    »Sobald ich gut genug bin, will sich der Geschäftspartner meines Vaters zurückziehen und uns seinen Anteil verkaufen«, sagte Daniel. »Es ist keine kreative Arbeit, so wie deine ... aber man verdient gut. Genug, um eine Familie zu ernähren.«
    Ruth sah ihn an. Daniel wirkte so vertrauenerweckend. Aus ihm würde ein großartiger Verkäufer werden. Die Leute würden mit Freuden bei ihm ihre Autos kaufen. Und aus Daniel würde auch ein liebevoller Ehemann und warmherziger Vater werden. Man sah es daran, wie er mit Ronnie umging. Zudem war er in einer glücklichen Familie aufgewachsen. Er hatte alle Zeit gehabt zu lernen, was Familie bedeutete. Doch Ruth wusste, dass Daniel gar nicht bewusst war, was für ein Glück er hatte. Für ihn war das ganz einfach normal.
    Nachdem er sie im Auto seines Vaters zurück zum Venice Boulevard gefahren hatte, stieg Ruth eilig aus. Sie gab ihm keine Erklärungen. Von Bill, dem einzigen Jungen, mit dem sie je allein im Auto gesessen hatte, konnte sie ihm nicht erzählen. Auf dem Gehweg aber blieb sie stehen. Da stieg Daniel aus und trat zu ihr.
    Ruth hielt die Tasche mit den Fotoapparaten vor sich wie ein Schutzschild. Und Daniel kam ihr nicht zu nah.
    »Darf ich dich wiedersehen?«, fragte er.
    »Hast du denn keine Freundin auf dem College?«
    Daniel schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er leise. Schüchtern streckte er die Hand aus und spielte mit dem Riemen der Kameratasche. »Ich würde gern ...«
    »Ich weiß nicht«, unterbrach Ruth ihn schroff.
    »Ich würde gern deine Fotos sehen ...«
    Ruth schwieg.
    »Ich sage das nicht, um dir zu schmeicheln«, fügte Daniel lachend hinzu.
    Ruth grinste spöttisch. »Ach, nein?«
    Daniel wurde ernst. »Nein. Könntest du meine Mutter sehen, wenn sie mit dem Segelboot unterwegs ist, würdest du verstehen, dass ich es ernst meine. Du weißt nichts von ihr, wenn

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