Der Junge, der Träume schenkte
ein neuer Stern am Autorenhimmel.«
Stirnrunzelnd reichte John Barrymore Christmas die Hand. »Christmas ...«, murmelte er nachdenklich. »Christmas ...« Plötzlich erhellte ein Lächeln sein schönes Gesicht. »Ich glaube, wir haben eine gemeinsame Freundin.«
Sowohl Mayer als auch Hollywood und die neue aufregende Erfahrung des Schreibens waren vergessen, als Christmas, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe des Hauses am Venice Boulevard hinaufstürmte. Er brauchte nun nicht mehr nach Oakland zu fahren. Wieder einmal hatte das Schicksal ihm einen Wink gegeben, diesmal in der Person John Barrymores. Völlig außer Atem erreichte er den vierten Stock. Er lief den Flur entlang bis zu einer Tür mit der Aufschrift Wonderful Photos . Ungestüm klopfte er an. Dann presste er die Hand auf seine linke Seite und beugte sich vor, um nach Luft zu schnappen.
Die Tür ging auf. »Ja, bitte?«, fragte ein älterer, sympathisch wirkender Herr.
Christmas richtete sich auf. »Ich suche Ruth Isaacson«, erklärte er aufgeregt und wollte sich an dem Mann vorbeidrängen.
»Wer sind Sie?«
»Bitte, ich muss sie sehen«, sagte Christmas, noch immer atemlos, so schnell war er gerannt. »Ich bin ein Freund aus New York.«
»Mein Name ist Clarence Bailey. Ist etwas passiert?«
Da erst wurde Christmas bewusst, was für ein Bild er abgeben musste, so außer Atem, die Augen fiebrig vor Aufregung. Er lachte. »Ja, es ist etwas passiert«, sagte er. »Ich habe sie endlich gefunden, das ist passiert.«
Und erst da begriff Clarence, warum der junge Mann es so dringend machte, warum er so aufgeregt war. Und er erkannte den Glanz in den Augen des Fremden wieder. So musste es auch bei ihm, Clarence, gewesen sein, als er seiner späteren Frau begegnet war. Er lächelte und trat zur Seite. »Kommen Sie, junger Mann. Aber Ruth ist noch nicht zurück.«
Christmas, der schon einen Fuß in die Fotoagentur gesetzt hatte, blieb stehen. »Sie ist nicht da?«
»Nein«
»Und wann kommt sie wieder?« Wieder klang die Stimme dringlich.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Mr. Bailey mit einem bedauernden Lächeln, wusste er doch, dass die Zeit dazu erfunden worden war, Liebende zu quälen. »Aber es wird nie sehr spät bei ihr. Kommen Sie herein, Sie können hier auf sie warten.«
Christmas ging weiter in die Agentur hinein. Er schaute sich um. Überall an den Wänden hingen Fotos.
»Das da ist von Ruth«, sagte Clarence und zeigte auf ein Porträt von Lon Chaney.
Christmas nickte, während er sich mit einem flauen Gefühl im Magen und einem Kribbeln in den Beinen, das ihn nicht stillstehen ließ, weiter umsah. »Wann kommt sie denn normalerweise zurück?«
Clarence lachte. »Sie wird bald hier sein, Sie werden sehen, junger Mann«, sagte er. »Kommen Sie, setzen wir uns in mein Büro. Wir trinken eine Tasse Tee ...«
»Ich glaube ...«
»... und Sie erzählen mir von New York.«
»Nein«, lehnte Christmas kopfschüttelnd ab. »Nein, entschuldigen Sie, die Sache ist die ...« Er stockte, stellte sich vor, wie er Sekunde um Sekunde der endlos langsam verstreichenden Zeit lauschen würde, unfähig, sich auf eine Plauderei mit dem freundlichen alten Herrn zu konzentrieren. »Nein, entschuldigen Sie, ich ... ich komme lieber noch mal wieder.« Er drehte sich um und eilte zum Ausgang.
»Was soll ich Ruth sagen?«, fragte Mr. Bailey.
Doch Christmas hatte bereits die Tür geöffnet und war auf dem Weg nach draußen.
»Wie heißen Sie, junger Mann?«, rief Mr. Bailey ihm über den Flur nach.
Aber Christmas antwortete nicht. Er rannte die Treppe hinunter und atmete, kaum dass er im Freien war, tief durch. Dann nahm er die Hand vor den Mund und schloss die Augen. Beruhige dich, dachte er. Doch das Warten war ihm unerträglich. Als wäre das letzte kurze Stück Weges, das ihn noch von Ruth trennte, ein ganzer Ozean, als wäre der winzige Zeitabschnitt viel schwerer zu ertragen als die vier Jahre, die er ohne sie überstanden hatte.
Er sah sich auf den Gehwegen um. Und abermals spürte er das Kribbeln, das seine Beine unter Strom setzte. Rechts oder links, welche Richtung sollte er einschlagen? Christmas lief los. Nach links, Ruth entgegen. Am Ende des Blocks gelangte er auf eine Querstraße. Wieder blickte er nach rechts und links. Aus welcher Richtung würde sie kommen? Schlagartig wandte er sich zu dem Eingang des Agenturgebäudes um. Was, wenn Ruth von der anderen Seite kam? Christmas rannte zurück. Erneut ging er bis zur Querstraße
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