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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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und empfand den unwiderstehlichen Wunsch, sie zu küssen.
    Ruth wurde ernst, als hätte sie Christmas’ Gedanken erraten, als hätte sie das Gleiche gedacht. Sie spürte einen warmen Stich im Unterleib. Ihr Blick fiel auf Christmas’ Mund. Und ohne es zu merken, öffnete sie ihre Lippen ein wenig, als genieße sie den Kuss, der schon seit vier Jahren andauerte.
    Ein Kellner war an ihren Tisch getreten. »Was kann ich Ihnen bringen?«, fragte er, doch Ruth und Christmas beachteten ihn nicht. Schweigend hielten ihre Blicke einander umfangen.
    »Was kann ich Ihnen bringen?«, erkundigte sich der Kellner erneut.
    »Nichts«, erwiderte Christmas und stand auf. Beinahe gleichzeitig erhob sich auch Ruth und reichte ihm die Hand. Christmas ergriff sie, und ohne Ruth auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen, zog er sie ungestüm aus dem Café.
    Kaum waren sie draußen auf dem Bürgersteig, legte Christmas den Daumen an Ruths Unterlippe, um sie ganz sanft zu streicheln. Doch seine Hand zitterte. Ruth senkte die Lider und beugte sich zu ihm vor. Da zog Christmas sie an sich und küsste sie. Und erst als Ruths Hände sich in seinen Rücken gruben, schloss er die Augen.
    Ruth spürte, wie Christmas’ Wärme ihren Körper durchflutete. Eng hielt sie ihn umschlungen. Sie war wie betrunken. Ihre Lippen, ihr Gesicht, ja ihr ganzer Körper glühten. Kraftvoll füllten sich ihre Lungen. Sie atmete, wie sie noch nie geatmet hatte, ohne Furcht. Und ihr Herz raste, aber sie hatte keine Angst, es könnte brechen. Ihre Hand glitt hinauf zu Christmas’ Kopf, mit den Fingern fuhr sie ihm durchs Haar, und ohne auf die Blicke der Passanten zu achten, ergriff sie fest die blonde Locke, die sie noch nie zuvor gestreichelt hatte, und presste ihre Brust an Christmas’ muskulösen Oberkörper, in dem verzweifelten Wunsch, eins zu werden mit dem Mann, den sie schon immer geliebt hatte. Und während ihre Lippen sich saugend, knabbernd, liebkosend vereinten, flüsterte sie immer wieder: »Christmas ... Christmas ...«
    Keuchend löste Ruth sich aus seiner Umarmung, legte eine Hand an sein Gesicht und schob ihn energisch von sich, nur um ihn im nächsten Moment wieder eng an sich zu ziehen. »Nimm mich mit zu dir«, sagte sie. Und bevor Christmas etwas erwidern konnte, küsste sie ihn erneut, noch heftiger, noch leidenschaftlicher, und spürte, wie ihr Körper von tausend neuen Empfindungen erschüttert wurde.
    Unter Küssen und zärtlichen Berührungen, ohne dass ihre Körper je den Kontakt verloren, erreichten sie den Wagen. Während Christmas die Tür öffnete, strich er Ruth übers Haar, streichelte ihr Gesicht, trocknete mit den Fingerspitzen ihre glänzenden Lippen. Sie stiegen ein, und Christmas startete den Motor. Ruth schlang die Arme um Christmas’ Hals, küsste seine Wangen, seine Augen und zog ihn an sich.
    »Fahr schnell«, sagte sie lachend zu ihm und küsste ihn wieder.
    Christmas drückte auf die Hupe, und sobald die Straße frei war, wandte er ihr das Gesicht zu und küsste sie auf den Mund.
    »Fahr schnell ... fahr schnell ...«, drängte Ruth erneut.
    Der Oakland brauste über den Sunset Boulevard und bog in die Einfahrt zu Mayers Gästevilla.
    Christmas und Ruth stiegen aus, küssten sich und hielten sich ganz fest, als hätten sie Angst, sich zu verlieren. Nachdem sie den Garten durchquert hatten, klopfte Christmas voller Ungeduld an die Haustür.
    Das Hausmädchen öffnete. »Guten Abend, Señor.«
    Die ganze Zeit über hatte Ruth keinen Gedanken daran verschwendet, was die anderen Menschen von ihnen denken könnten. Jetzt, allein mit Christmas in seinem Schlafzimmer, sah Ruth jedoch plötzlich wieder das Gesicht des Hausmädchens vor sich, das ihnen die Tür geöffnet hatte. Und sie hörte es diskret sagen: »Guten Abend, Señor.« Ruth schaute hinüber zu der geschlossenen Tür, die sie endgültig von der Welt, von den anderen Menschen trennte, dann sah sie Christmas an. »Wie heißt sie?«, fragte Ruth.
    »Wer?«
    »Das Hausmädchen.«
    »Keine Ahnung ...«
    »Sie denkt sicher, dass wir miteinander schlafen«, sagte Ruth leise und blickte zu Boden.
    Christmas griff nach Ruths Hand »Ja, wahrscheinlich ...«
    »Und selbst wenn wir es nicht täten, würde sie denken, wir hätten es getan.«
    »Ja, wahrscheinlich.«
    Ruth schaute Christmas an. Und mit einem Mal war die Angst wieder da.
    »Ruth ...«, sagte er.
    Ruth hatte Angst, wieder an Bill denken zu müssen. Angst, es könnte so schmerzhaft, erniedrigend und

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