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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Hemd, den obersten Knopf hatte er aufgeknöpft und die Krawatte ein wenig gelockert. Als er Ruth erblickte, trat ein breites Lächeln auf seine jugendlichen Lippen. Langsam und theatralisch verbeugte er sich, bevor er den Arm nach ihr ausstreckte.
    Mit hochrotem Kopf stand Ruth da und rührte sich nicht.
    »Na los, Schätzchen. Scheue Jungfrauen sind in Hollywood nicht gefragt«, sagte Blyth und schob sie auf den berühmten Schauspieler zu.
    Im Gehen warf Ruth einen Blick auf das Foto. Es war eine der Aufnahmen, die sie von Barrymore in seinem Haus gemacht hatte, als er noch nicht angezogen gewesen war. Der Schauspieler trug den gestreiften Satinmorgenmantel und blickte melancholisch in die Kamera. Der schmale Lichtschein, der durch den Spalt zwischen den Vorhängen hereinsickerte, fiel auf sein ungekämmtes Haar, die nackten Füße und eine Flasche auf dem Fußboden. So groß wirkte das Foto noch dramatischer, noch authentischer, mit seinen scharfen Hell-Dunkel-Kontrasten.
    »Unseren Freunden habe ich natürlich erklärt«, sagte Barrymore, während er Ruth den Arm um die Schulter legte und sie den Anwesenden vorstellte, »in der Flasche sei nur Eistee gewesen.«
    Die Gäste lachten und applaudierten.
    Barrymore lächelte und zog Ruth an sich. »Willkommen, Verräterin«, flüsterte er ihr zu. »Ich habe sie alle reingelegt. Die Leute schauen sich nur mein Foto an. Weder Greta Garbo noch Rudolph Valentino können da mithalten. Gloria Swanson ist stinksauer. Ich glaube, sie ist bereits gegangen«, lachte er.
    Ruth sah ihn an. »Das Foto hier haben Sie mir nicht bezahlt, Mr. Barrymore.«
    »Oh doch, und wie ich es dir bezahlt habe, Verräterin.«
    Ruth zog die Stirn kraus.
    »Ich war es, der deinem Christmas gesagt hat, wo er dich findet.«
    Ruth schlug die Augen nieder.
    »War das etwa falsch von mir?«, fragte Barrymore.
    »Nein«, antwortete Ruth leise.
    »Stellt euch neben dem Foto auf«, rief Blyth aufgeregt. Dann trat er zur Seite und überließ das Feld den Pressefotografen, die er eingeladen hatte. Unzählige Blitzlichter zuckten auf.
    Ruth wurde geblendet. Alles war weiß, dann schwarz. Langsam tauchten die applaudierenden und lachenden Gäste ringsum wieder auf. Und inmitten der lächelnden Menge bemerkte Ruth für einen winzigen Augenblick ein ernstes Gesicht. Für den Bruchteil einer Sekunde. Erneut flammten die Blitzlichter auf; eine neue Blitzsalve ergoss sich über sie. Weiß. Schwarz. Dann traten die Gesichter wieder klar hervor. Und noch immer waren da diese ernsten Augen, die sie anstarrten, verwundert und finster.
    Ruth glaubte, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Und das Gelächter der Leute verwandelte sich in ein einziges, Furcht erregendes Lachen, das aus der Vergangenheit widerhallte.
    Bill war beizeiten auf der Party erschienen. Er hatte den Wagen auf der Allee abgestellt und wenig später mit einem dicken Päckchen unter dem Arm die Villa betreten. Dort war er vom Hausherrn in dessen Privatbüro empfangen worden. Er hatte ihm das Päckchen ausgehändigt und siebentausend Dollar in bar dafür kassiert. Gemeinsam mit dem Hausherrn hatte er dann das Päckchen geöffnet und eine Dosis Kokain geschnupft. Bill wusste nicht mehr, die wievielte es an dem Tag war. Der Gedanke, von all diesen wichtigen Leuten umgeben zu sein, machte ihn nervös. Mindestens eines seiner persönlichen Glasfläschchen hatte er bereits verbraucht. Mithilfe des Kokains, so hatte er sich gesagt, würde er sich nicht fehl am Platz vorkommen. Und tatsächlich fühlte er sich wohl, während er mit dem Hausherrn scherzte. Zumindest war es so, bis die Dame des Hauses hereinkam, eine junge Frau um die dreißig, die, ehe sie den Millionär geheiratet hatte, in ein paar drittklassigen Filmen aufgetreten war.
    Die Frau grüßte Bill nicht, sie sah nur das Kokain, nahm sich ein Fläschchen, steckte es in ihr Abendtäschchen und wandte sich dann an ihren Mann. »Bleibt der Herr?«
    Der Hausherr nahm sie beim Arm und geleitete sie sanft zur Tür. »Wem soll er schon auffallen?«, wisperte er.
    »In einem hellen Anzug und diesem grässlichen roten Hemd?«, gab seine Frau zurück.
    »Von solchen Leuten wird es viele geben ...«, erwiderte der Hausherr noch leiser. Aber nicht leise genug. Bill hatte ihn genau verstanden. Wenn er Kokain im Blut hatte, hörte und sah Bill alles. Eben das gab ihm das Gefühl, unbesiegbar zu sein. Mit einem Mal aber bemerkte er, dass er schwitzte. Und er verspürte ein unwiderstehliches Verlangen nach

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