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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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erwachsen.
    »Erinnerst du dich an unsere erste Begegnung?«, fuhr Pep fort. »Erinnerst du dich?«
    Christmas hob gelangweilt die Schultern.
    »Die Diamond Dogs!« Pep lachte bitter. »Hast du wirklich gedacht, ich hätte dir das abgekauft? Du hattest keine Gang, das wusste ich genau. Und weißt du, wieso? Weil deine Augen es mir gesagt haben.«
    Für einen Moment blickte Christmas zu Boden. »Was zum Teufel willst du, Pep? Ist gerade Predigtstunde?«, sagte er jedoch gleich darauf und steckte lässig die Hände in die Hosentaschen.
    »Spiel mir nicht den Abgebrühten vor«, sagte Pep. »Du bist dabei, ein billiger Gauner zu werden. Weißt du, warum ich dir damals den halben Dollar gegeben habe? Weil ich dir in die Augen gesehen habe, und ganz sicher nicht, weil ich dachte, du könntest Lilliput tatsächlich beschützen. Ich habe in deinen Augen etwas gelesen, das mir gefallen hat. Aber jetzt erkenne ich dich nicht mehr wieder. Würde ich dir heute zum ersten Mal begegnen, ich würde dich mit einem Tritt in den Hintern wegjagen, wie den Verbrecher da draußen.« Pep schüttelte den Kopf, bevor er in warmem, väterlichem Ton weitersprach. »Meine räudige Hündin hat sofort mit dem Schwanz gewedelt, als sie dich gesehen hat. Man soll den Tieren vertrauen, weißt du? Sie haben einen untrüglichen Instinkt. Aber wenn du so weitermachst, wird sie auch dich in zwei Wochen anknurren, wenn du herkommst, um Schutzgeld von mir zu erpressen, wie diese Lumpen aus Ocean Hill. Wenn auch du den armen Kerlen, die keine Pistole besitzen, das Blut aussaugen willst. New York ist ein verdammter Käfig. Und wir sind zu viele. Da dreht man leicht durch. Und das hier ist nicht länger ein Spiel. Es ist jetzt Ernst. Aber für dich ist es noch früh genug, ein guter Mann zu werden und kein Lump.«
    Christmas musterte ihn mit hartem Blick. In seinem Inneren tobte Wut, die er nicht in Schach zu halten vermochte. »Es war schön, mit dir zu reden, Pep«, sagte er tonlos.
    Schweigend erwiderte der Metzger seinen Blick, bevor er schmerzlich den Mund verzog und zur Seite trat. Christmas ging zur Tür und öffnete sie.
    »Eine Sache noch«, sagte Pep. »Das Pickelgesicht da draußen«, und mit dem Kopf deutete er auf Santo, der neben Joey an der Mauer lehnte, »wird dabei draufgehen, wenn er dir folgt. Werd ihn los, wenn du noch einen Rest Eier hast. Reiß ihn nicht mit in den Abgrund.«
    Christmas schnaubte. »Du hättest Priester werden sollen, Pep.«
    Lilliput stieß ein lang gezogenes Geheul aus. Dann verkroch sie sich leise jaulend zwischen den Beinen ihres Herrchens.
    »Lass dich hier nicht mehr blicken«, sagte Pep und schloss die Tür.
    Christmas spürte, dass sich in diesem Augenblick nicht bloß die Tür einer Metzgerei in der Lower East Side schloss. Einen Moment beschlich ihn Angst. Doch dann entschied er sich, dem Gefühl keine Beachtung zu schenken. Er hatte nun einen Panzer, und der würde mit der Zeit härter und härter werden. Er pfiff nach seinen beiden Kumpanen und ging durch die Gasse davon.
    »Hat er dir die zwei Dollar gegeben?«, fragte Santo, als er ihn eingeholt hatte.
    Christmas sah ihn an. Santos Blick hatte sich nicht verändert. Er griff in seine Tasche, holte zwei Münzen hervor und warf sie in die Luft. »Klar doch. Was hast du denn gedacht?«
    Santo gelang es, eine der Münzen zu fangen. Die andere landete in einer Schlammpfütze. Santo griff mit der Hand in den Matsch und wischte sie anschließend an seiner Hose ab. »Müssen wir jetzt durch drei teilen?«
    »Nein, das Geld gehört dir«, antwortete Christmas.
    »Zwei Dollar nur für mich?«, vergewisserte sich Santo zufrieden.
    »Was soll das denn?«, mischte sich Joey ein.
    Christmas fuhr herum. »Die gehören ihm!«
    Joey sah ihn ruhig an. »Okay.«
    In der Woche nach dem Job, der Chick das Knie gekostet hatte, war Joey in einem schäbigen Zimmer über Wally’s Bar and Grill untergekommen, einem von gewissen Italienern betriebenen Lokal, die Freunde von Big Head waren. Einen Monat später waren Buggsy und der Maulwurf tot gewesen. Joey aber war in der Lower East Side geblieben und das dritte Mitglied der Diamond Dogs geworden. Nach wenigen Tagen hatte er begriffen, dass die Gang in Wahrheit gar nicht existierte. Sein Plan jedoch bestand darin, Christmas’ Berühmtheit im Viertel für seine Zwecke auszunutzen. Im Laufe eines Monats erbeuteten sie ein wenig Schutzgeld und hatten ein paar kleine Betrügereien organisiert. Auf Santo konnte er nicht zählen, das

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