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Der Junge im Mond: Wie mein Sohn mir half, die Welt zu verstehen (German Edition)

Der Junge im Mond: Wie mein Sohn mir half, die Welt zu verstehen (German Edition)

Titel: Der Junge im Mond: Wie mein Sohn mir half, die Welt zu verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Brown
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seine körperlichen Konturen bewusster würden und er so mehr Sicherheit gewönne. Sie hatte wechselnde Theorien darüber, warum er sich schlug. »Manchmal tut er das aus lauter Frustration. Und manchmal aus Einsamkeit. Und manchmal weiß ich es nicht. Oder wenn er wütend ist – er ist oft wütend. Oder wenn er sein Spielzeug fallen gelassen hat und er es nicht zu fassen kriegt. Oder wenn seine Medikamente wirken – manchmal kann ich es sehen und manchmal nicht. Er ist schwer zu verstehen. Manchmal schlägt er nur einmal zu. Er schmollt dann, ist traurig, und dann haut er einmal kurz zu. Verpass dir mal einen. Rückt das für ihn die Sicht wieder etwas zurecht?«
    Wenn andere es beschrieben, hörte sich Walkers Leben viel zielgerichteter an, vollständiger, als es mir, seinem Vater, manchmal vorkam. »Er liebt den Geruch meines Kaffees«, teilte mir Trish mit. »Er ist vernarrt in meinen Kaffee. Karamell macchiato. Blumen lassen ihn ziemlich kalt. Er mag die härteren Sachen, Pinie und Rosmarin.«
    Er konnte auch schwieriger sein, als irgendjemand gedacht hatte: Er verschliss einen Betreuer nach dem anderen, mindestens zwanzig nach Trishs Zählung. »Die Neuen kommen rein, sie bleiben vielleicht zwei Wochen, und dann sagen sie: › Ich pack’s nicht. ‹ Er mag dich entweder auf Anhieb oder gar nicht. So ist er halt.« Er war ein Sturkopf, und er hatte sowohl Temperament als auch Humor, wie sein Vater beziehungsweise seine Mutter. »Manchmal erzählt jemand einen Witz, und ich schwöre, er lacht«, sagte Trish. »Kein komplizierter Witz, aber ein Witz. Und ich glaube, er flucht. Wenn ich ihm sage, er soll etwas tun, schmeißt er sein Buch nach mir. Und dann sage ich: › Walker, du kannst doch nicht dein Buch nach mir schmeißen, du gehst jetzt hin und hebst das auf. ‹ Und dann sagt er: › Hunh! ‹ Und ich schwöre, er schimpft. Wie: › Leck mich doch am Arsch, blöde Kuh. ‹ « Ich habe natürlich keine Ahnung, woher er das hat. Er mochte es eben nicht, wenn man ihm sagte, was er zu tun hatte.
    Sie meinte, dass er die Wörter aufheben und komm und aufhören und lass das verstand, was mehr war, als ich ihm beibringen konnte. »Ich glaube, Walker ist viel netter als manche Kinder, die ich schon betreut habe«, erzählte mir Trish. »Aber das Unberechenbare in Walker macht ihn auch schwieriger. Walker kann eine Beziehung haben – er kann eine Art Gespräch führen, er hat ein Gefühl für die jeweilige Person.« Er wusste, bei wem es sich lohnte, dranzubleiben, und wer nicht reagieren würde. Er war nett zu Leuten, die nett zu ihm waren. »Aber wenn bei Walker etwas schiefläuft, weiß man nicht, wie man es wiedergutmachen soll.«
    Trish hatte auch eine Vorstellung von Walkers Zukunft, und zu meiner Erleichterung war die offen, eine, die nahelegte, dass andere vielleicht etwas in ihm sahen. »Ich meine, Walker wird nie einen Job haben«, sagte Trish eines Nachmittags. Wir saßen im Wohnzimmer ihres Hauses in den Vororten: Es sah nicht aus wie ein Raum, der sehr viel in Gebrauch war. »Und er wird nie Geld verdienen. Aber die Dinge verändern sich für Walker. Und ohne ihm die Gelegenheit zu geben, neue Dinge zu sehen, wird er nicht der werden, der er ist. Er lernt. Er lernt wirklich. Die Laute, die er macht, vermitteln einem das. Wenn du jetzt zu ihm sagst, gib mir fünf, dann gibt er dir fünf. Das ist gewaltig. Ich finde, das ist gewaltig. Also glaube ich nicht, dass er mit seiner Entwicklung schon durch ist. Er hört die ganze Zeit zu. Er braucht einfach nur länger, um alles abzuarbeiten.«
    Ein paar Monate später hatte Trish dann schlechte Nachrichten für uns: Cory und sie hatten eine Farm nördlich der Stadt gefunden, in der Nähe seines Arbeitsplatzes. Jetzt konnte Cory im gleichen Viertel leben und arbeiten, was bedeutete, dass er häufiger zu Hause war und nicht mehr pendeln musste. Sie konnten ihre eigene Familienplanung fortsetzten – einen Bruder oder eine Schwester für ihre Tochter. Nach Weihnachten würde Trish nicht mehr länger Walker betreuen, außer zu besonderen Anlässen. Es war ein neuer Verlust, nach Jermayne (dessen Rücken kaputt ging), nach Tanya (die ein eigenes Kind bekommen hatte.) Aber Will war immer noch da, und jemand Neues würde kommen, und wir waren da, die fortdauernde Gemeinschaft von Walker.
    Trish war überzeugt, dass er es gut nehmen würde. »Neulich kam ich abends rein – am Samstag –, und er trat bloß mit den Füßen herum und schrie. Aber wenn er glücklich

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