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Der Junge im Mond: Wie mein Sohn mir half, die Welt zu verstehen (German Edition)

Der Junge im Mond: Wie mein Sohn mir half, die Welt zu verstehen (German Edition)

Titel: Der Junge im Mond: Wie mein Sohn mir half, die Welt zu verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Brown
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den Türrahmen legen, als wollte er aus einer Cessna einen Fallschirmsprung auf die Erde machen. Der Schwung zurück, der Abstoß nach vorn und … draußen! Er steht! Jetzt etwas Gegengewicht, damit er nicht durch den Schwung nach vorn kippt! Hat er es … jawohl! Hurra. Das menschliche Katapult, bloß um etwas Milch zu holen und die Rechnungen in der Bank zu bezahlen – in einer von zwei Banken, die meine vierundneunzigjährige Mutter und er benutzen, damit sie nicht das Risiko eingehen, ihr gesamtes Geld auf nur einer Bank zu haben.
    Die Haut meines Vaters ist so verletzlich wie Pelürepapier in einer Bibel. Ich habe ihm immer den Arm um die Schultern gelegt, wenn wir uns gesehen haben. Er zuckt zusammen, wenn ich es jetzt mache. Ich könnte etwas verrenken. Das muss auf jeden Fall und in aller erdenklichen Form vermieden werden. Die Routineabläufe dürfen nicht abgewandelt werden – die Bank, Entsorgung, dann das Lebensmittelgeschäft, in der Reihenfolge – und auch die Route nicht. »Warum fährst du denn diese Strecke?«, fragte er im Auto, als hätte ich die Existenz von Kohlenstoff infrage gestellt. Zu Terminen kommt er eine Dreiviertelstunde zu früh. Er hat ein Taschentuch dabei, mit dem er sich die Spucke aus dem linken Mundwinkel reibt, wenn er denkt, dass ich nicht hinschaue. Es ist nicht so, dass er Altwerden nicht mögen würde: Er fühlt sich persönlich davon angegriffen und beleidigt. Seine Grundstimmung hat sich verändert, er ist immer leicht gereizt. So wie er seine Kraft verliert, verliert er auch seine berühmte Zurückhaltung: Er ist inzwischen nörglerischer geworden, außer mit Walker. Sie scheinen die Gebrechlichkeit des anderen zu verstehen, sie haben Geduld miteinander.
    Jedes Mal, wenn sie sich treffen, läuft es nach dem gleichen Muster ab. Der Junge steht vor dem alten Mann, und mein Vater hält seine Hände und schaut ihm in die Augen. »Hallo«, sagt er. Beide lächeln. Mein Vater weiß, was er tun muss, ohne dass es ihm jemals einer erklärt hätte. »Hallo, meine kleine Rotznase.« Das hat er auch zu mir und zu meinem Bruder gesagt. Dann klettert Walker ihm auf den Schoß und rührt sich zwanzig Minuten lang nicht. Walker erkennt ihn wieder, wobei ich nicht weiß wie, denn er sieht seinen Großvater nicht oft. Das liegt nicht daran, dass meine Eltern ihn nicht mögen, sie können es einfach nicht ertragen, dauernd auf ihn aufpassen zu müssen. Sie schicken ihm Karten zu seinem Geburtstag und bitten uns, an Weihnachten die passenden Geschenke zu kaufen, bei jedem Besuch erkundigen sie sich nach ihm, aber das Chaos, wenn Walker sie besucht und direkt auf die Vase mit den Pantoffelblumen auf dem alten Spieltisch meiner Mutter zusteuert – nein, das ist nicht sehr entspannend. Allein schon seine Nase kann meine Mutter, die Krieg gegen jegliche Bakterien führt, vollkommen aus der Fassung bringen.
    Sie liebt ihn, gar keine Frage. Sie – sie heißt Cissy – liebt ihn wie ein Wesen in der Natur, wie ihre Clematis oder ihre Rosen oder den Fluss am Rande des Gartens, als würde er wie ein normaler, dickflüssiger Rückstand durch ihre Adern laufen. Das ist das Farmmädchen in ihr, die Arbeiterin, die die Dinge so nimmt, wie sie eben sind. Aber das Farmmädchen – stämmig, stark, mutig, ja wagemutig – hat auch Angst vor seiner Apparatemedizin, seinen Schläuchen und Medikamenten. Sie hat Angst, ihm noch mehr weh zu tun. An dem Tag, als ich ihr erzählte, wie stark behindert Walker sein würde – das war nach unserer Fahrt zum Kinderkrankenhaus in Philadelphia, nachdem wir erfahren hatten, dass seine Fähigkeit zu lesen und viele andere Fähigkeiten sich nie über die eines Zwei- bis Dreijährigen hinaus entwickeln würden –, saß sie auf dem kleinen Zweiersofa im Fernsehzimmer ihres makellosen Hauses. Sie sah mich an, die Hände im Schoß, ausdruckslos, dann rutschte sie zur Sofakante vor.
    »Nun ja, dann müssen wir ihn eben einfach so lieben, wie er ist.«
    Nicht gerade ein Geschenk, das sie mir gemacht hatte, als ich aufgewachsen bin: Vielleicht war sie durch Walker toleranter geworden. (Wenn das so ist, dann bewirkt er wahre Wunder.) Es ist keine sehr weitreichende Antwort: Dann müssen wir ihn eben einfach so lieben, wie er ist. Aber es ist die einzige Antwort, die immer da ist, immer wartet. Meine Mutter hat eine Gabe, den harten Kern der Wahrheit zu treffen.
    Mein Vater dagegen ist der Freund seines Enkelsohnes. Sie sitzen Hand in Hand da. Wenn Walker wimmert, dann kommt

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