Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Junge mit den blauen Haaren

Der Junge mit den blauen Haaren

Titel: Der Junge mit den blauen Haaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Loesel
Vom Netzwerk:
stehen im Dunkeln.
„Huch“, entfährt es mir.
Kay lacht und tapst durch mein Zimmer. Ich höre, wie er zunächst eine Tür öffnet, dann eine weitere. Keine zehn Sekunden später durchbricht ein kleiner Lichtkegel die Finsternis.
„Woher wusstest du das?“, frage ich, als Kay mit einer kleinen Stabtaschenlampe wieder zurückkehrt.
„Ich wusste es nicht, aber ich habe mir so was gedacht“, antwortet er lachend, „das ist in den meisten Schulen Gang und Gäbe.“
Na klar, Kim, so etwas musst du schließlich wissen
Er bittet mich, die Lampe zu halten, setzt sich auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch, und macht sich am Laptop zu schaffen.
„Was tust du da?“
„Ich richte dir ein Mail-Postfach ein.“
„Warum?“
„Warum?“
„Ja … warum tust du das? Wer soll mir denn hier eine Mail schicken? Wir sehen uns doch jeden Tag, da kann man doch miteinander reden.“
Kay scheint fertig zu sein. Er nimmt mir die Taschenlampe aus der Hand und leuchtet mir ins Gesicht.
„Hey“, kreische ich, momentan geblendet, schlage mir aber sofort auf den Mund.
„Vielleicht gibt es ja die ein oder andere Sache, die man lieber schriftlich erwähnt“, sagt er kryptisch. Da das Licht noch immer auf mich gerichtet ist, sehe ich sein Gesicht nur schemenhaft. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass sein Tonfall nicht mehr so forsch ist. Eher … zurückhaltend … fragend.
„Oh … gut“, meine ich.
„Also … erzählst du mir jetzt, was dich bedrückt? Oder bist du zu müde? Sollen wir lieber bis morgen warten?“
Vielleicht ist das, was ich zu erzählen habe, genau so eine Sache, von der du denkst, dass man sie lieber schriftlich erwähnt. „Ich bin zwar kaputt, aber ich glaube nicht, dass ich einschlafen kann“, gebe ich leise zu.
Kay hockt noch immer auf dem Schreibtischstuhl, während ich auf das Bett geklettert bin, nachdem ich meine Sandaletten von den Füßen gekickt habe.
„Also dann“, meint Kay und steht auf. Ich höre etwas rascheln und einen leisen Aufprall. Er hat seine Schuhe ausgezogen.
Dann senkt sich die Matratze neben mir und Kay krabbelt neben mich. Er löscht die Taschenlampe.
„Batterien sparen“, nuschelt er, „und vielleicht ist es nicht ganz so schlimm für dich, wenn es dunkel ist.“
Schon wieder weiß er, wie ich mich fühle.
„Versprichst du mir, mich nicht auszulachen?“
Als Antwort spüre ich, wie er näher zu mir rückt. Dann legt er seinen Arm um mich. Seine Stimme ist ganz nah an meinem Ohr … und sein Geruch in meiner Nase.
Himmel, er riecht so verdammt gut!
„Ich werde dich niemals auslachen“, wispert er.
Das ist eine gute Antwort … und die einzig richtige! You got me!!!
Ich lasse meinen Kopf auf seine Schulter sinken … und dann lege ich los.

10)
    „ B is vor einem halben Jahr lebte ich auf einem anderen Planeten …“
Ich spüre, wie Kay sich neben mir versteift. „Du verarschst mich!“
„Nicht wirklich“, sage ich leise, „okay, nicht direkt ein anderer Planet. Nennen wir es mal einen goldenen Käfig.“
„Sprich weiter!“, bittet er, nachdem er, wie ich vermute, die Luft durch seine zusammengepressten Zähne einsaugt.
Nach einem Räuspern fahre ich fort.
„Ich bin bei meinem Vater aufgewachsen. Meine Mutter habe ich nie kennengelernt. Sie ist bei meiner Geburt gestorben.“ Die letzten Worte habe ich nur noch geflüstert. Zu weh tut der Gedanke. Dass Kay mich näher zu sich heranzieht und seine Wange auf meinen Kopf legt, macht die Sache auch nicht gerade besser.
Obwohl ich wirklich froh darüber bin, endlich mit jemandem über all das reden zu können, ist sein Mitleid das Letzte, das ich im Moment gebrauchen kann.
Viel lieber möchte ich wütend sein. Meinen ganzen Frust herausschreien … aber ich gebe zu, Kay so nah neben mir zu haben, ihn zwar nicht zu sehen, aber ihn zu fühlen, zu riechen … das hat schon was.
Er drückt sachte meinen Arm und ich rede weiter.
„Ich weiß nicht mal, wie meine Mutter heißt … oder wie sie aussieht. Kannst du dir vorstellen, dass mein Vater niemals von ihr spricht? Nicht ein einziges verdammtes Foto von ihr hat? Nein … das kannst du sicher nicht, Kay. Das kann niemand.“
Kays Haltung verändert sich bei meinen Worten und ich bin sicher, dass ich richtig liege, mit meiner Vermutung. Als er nicht antwortet, zwinge ich mich, meinen Seelenstriptease fortzusetzen.
„Ich wurde immer nur von Angestellten meines Vaters behütet. Ich glaube, es war nicht einmal eine Frau, die sich in den ersten Lebensjahren um mich

Weitere Kostenlose Bücher