Der Junge
verärgert zu summen; Vorboten stürzen sich auf ihn herab, empfehlen ihm den Rückzug; einmal muß er sogar, verfolgt von einem Bienenschwarm, fliehen und schmählich über das Veld rennen, Haken schlagend und mit den Armen wedelnd, dankbar, daß keiner ihn sieht und auslacht.
Jeden Freitag wird für die Leute auf der Farm ein Schaf geschlachtet. Er begleitet Ros und Onkel Son, wenn sie das Schaf aussuchen, das sterben soll; dann steht er daneben und schaut zu, wenn Freek auf dem Schlachtplatz hinter dem Schuppen – vom Haus aus nicht einsehbar – die Beine des Schafes festhält, während Ros dem Tier mit seinem harmlos wirkenden kleinen Taschenmesser die Kehle durchschneidet.
Danach halten beide Männer das Schaf fest, das ausschlägt und kämpft und hustet, während sein Lebensblut hervorsprudelt. Er schaut weiter zu, wenn Ros den noch warmen Körper häutet und den Kadaver am Kautschukbaum aufhängt, ihn aufschneidet und die Innereien in eine Schüssel herauszerrt: den großen blauen Magen voller Gras, die Gedärme (aus dem Darm drückt er die letzten paar Bohnen, die das Schaf keine Zeit mehr hatte auszuscheiden), das Herz, die Leber, die Nieren – alles, was das Schaf in seinem Inneren hat und was auch er in sich hat.
Ros benutzt dasselbe Messer zum Kastrieren der Lämmer.
Auch bei diesem Ereignis sieht er zu. Die jungen Lämmer und ihre Mütter werden zusammengetrieben und eingepfercht.
Dann geht Ros zwischen ihnen herum, packt Lämmer bei den Hinterbeinen, eins nach dem anderen, drückt sie fest zu Boden, während sie vor Entsetzen blöken, einen Verzweiflungsschrei nach dem anderen ausstoßen, und schlitzt den Hodensack auf.
Sein Kopf taucht hinunter, er packt die Hoden mit den Zähnen und zerrt sie heraus. Sie sehen aus wie zwei kleine Quallen, an denen blaue und rote Blutgefäße hängen.
Ros schneidet auch den Schwanz ab, wenn er einmal dabei ist, und wirft ihn beiseite, nur einen blutigen Stummel übriglassend.
Mit seinen kurzen Beinen, seinen ausgebeulten, abgelegten Hosen, die kurz unterm Knie abgeschnitten sind, seinen selbstgemachten Schuhen und dem zerschlissenen Filzhut schlürft Ros im Pferch herum wie ein Clown, wählt die Lämmer aus und kastriert sie mitleidslos. Am Ende der Operation stehen die Lämmer wund und blutend neben ihren Müttern, die nichts getan haben, um sie zu beschützen. Ros klappt sein Messer zusammen. Die Arbeit ist getan; er grinst leicht.
Über das, was er gesehen hat, kann man nicht reden. »Warum müssen sie den Lämmern die Schwänze abschneiden?« fragt er die Mutter. »Weil sonst die Schmeißfliegen unter ihren Schwänzen brüten würden«, antwortet die Mutter. Sie reden beide drumherum; beide wissen, was die Frage wirklich meint.
Einmal gibt ihm Ros sein Taschenmesser in die Hand und zeigt ihm, wie leicht es ein Haar zerschneidet. Das Haar biegt sich nicht, es teilt sich bei der leisesten Berührung der Klinge.
Ros schärft das Messer jeden Tag, wobei er auf den Wetzstein spuckt und die Klinge immer wieder darüberzieht, ohne Druck, ganz leicht. Vom ständigen Schärfen und Schneiden und wieder Schärfen ist die Klinge so abgewetzt, daß nur ein dünner Streifen geblieben ist. Genauso ist es mit Ros’ Spaten – den hat er so lange benutzt und so oft geschärft, daß von ihm nur noch ein oder zwei Handbreit Stahl geblieben sind; das Holz des Griffes ist glatt und schwarz vom Schweiß der Jahre.
»Du solltest da nicht zusehen«, sagt die Mutter nach einer der freitäglichen Schlachtungen.
»Warum?«
»Darum.«
»Ich will aber.«
Und er geht, um zuzusehen, wie Ros das Fell festpflockt und mit Steinsalz bestreut.
Gern sieht er Ros und Freek und seinem Onkel bei der Arbeit zu. Um von den hohen Wollpreisen zu profitieren, will Son noch mehr Schafe auf der Farm halten. Doch nach regenarmen Jahren ist das Veld eine Wüste, das Gras und die Büsche sind bis auf den Grund abgeweidet. Er macht sich daher daran, die gesamte Farm neu einzuzäunen, sie in kleinere Weidegründe einzuteilen, so daß man die Schafe von einem zum anderen treiben kann und das Veld Zeit bekommt, sich zu erholen. Er geht mit Ros und Freek jeden Tag hinaus, treibt Zaunpfähle in die steinharte Erde, spannt eine Achtelmeile Draht nach der anderen, zieht ihn straff wie eine Bogensehne und klammert ihn fest.
Onkel Son ist immer freundlich zu ihm, doch er weiß, daß er ihn nicht wirklich mag. Woran merkt er das? An dem unruhigen
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