Der Junker von Ballantrae
darüber rechten, er gab mit einer Art vornehmen Zorns, was man von ihm verlangte. Vielleicht weil er von Natur dazu neigte, Sparsamkeit zu üben, bereitete ihm die Rücksichtslosigkeit gegen sich selbst, mit der er die Verschwendungssucht seines Bruders befriedigte, einen aufpeitschenden Genuß. Die Fragwürdigkeit seiner Lage würde vielleicht auch einen weniger bedeutenden Menschen zu solchen Exzessen getrieben haben, Aber die Güter (wenn ich mich so ausdrücken darf) seufzten darunter, unsere täglichen Ausgaben wurden immer mehr beschnitten, die Ställe leerten sich bis auf vier Gebrauchspferde, Bedienstete wurden entlassen, was entsetzlichen Unwillen im Lande erregte und die alte Mißgunst gegen Mr. Henry wiederaufflammen ließ, und schließlich mußte der Besuch, den man Edinburgh jährlich abstattete, unterbleiben.
Das war im Jahre 1756. Man muß bedenken, daß jener Blutsauger sieben Jahre hindurch das Herzblut von Durrisdeer getrunken hatte, und daß mein Herr die ganze Zeit hindurch seine Ruhe bewahrte. Teuflische Bosheit veranlagte den Junker, sich mit seinen Bitten stets allein an Mr. Henry zu wenden und nie an den Lord heranzutreten. Die Familie hatte verwundert unsere Einschränkungen wahrgenommen. Ich bezweifle nicht, daß sie sich beklagt hatte, mein Brotgeber sei ein großer Geizhals geworden, ein Übel, das immer verächtlich, bei einem so jungen Menschen aber abschreckend wirkt, und Mr. Henry war damals noch nicht dreißig Jahre alt. Jedoch hatte er die geschäftlichen Angelegenheiten von Durrisdeer beinahe von Kindesbeinen an geführt, und alle ertrugen den Wandel der Dinge mit einem Stillschweigen, das ebenso stolz und bitter wie das seine war, bis der Stein des Anstoßes kam, die Reise nach Edinburgh.
Zu jener Zeit war mein Herr mit seiner Gemahlin selten zusammen, außer bei den Mahlzeiten. Gleich nach den Eröffnungen von Oberst Burke machte Mrs. Henry deutlich wahrnehmbare Annäherungsversuche. Man könnte sagen, daß sie ihren Gatten ein wenig hofierte und sich ganz anders benahm als früher in ihrer Gleichgültigkeit und Kälte. Ich fand niemals den Mut, Mr. Henry zu tadeln, weil er diese Annäherungen abwies, noch auch seine Frau, weil sie durch diese Zurückweisung tief verletzt wurde. Der Erfolg war jedoch eine völligeEntfremdung, so daß sie, wie ich schon sagte, selten zusammen sprachen, ausgenommen bei den Mahlzeiten. Selbst die Angelegenheit der Reise nach Edinburgh wurde zuerst bei Tisch beredet, und der Zufall wollte, daß Mrs. Henry an jenem Tage leidend und zänkisch war. Kaum begriff sie die Weigerung ihres Gemahls, als ihr Röte ins Gesicht stieg.
»Das ist zuviel!« rief sie aus, »der Himmel weiß, wie wenig Vergnügen ich in meinem Leben habe, und jetzt soll mir mein einziger Trost verweigert werden. Diese schmachvollen Neigungen müssen unterdrückt werden, schon jetzt weist man in der Nachbarschaft mit Fingern auf uns. Ich werde diese neue Unsinnigkeit nicht hinnehmen.«
»Ich kann die Reise nicht erschwingen«, sagte Mr. Henry.
»Erschwingen?« rief sie aus. »Eine Schande! Aber ich besitze selbst Geld.«
»Alles gehört mir, gnädige Frau, durch den Heiratskontrakt«, knurrte er und verließ sofort den Raum.
Der alte Lord warf die Hände zum Himmel, und er und seine Tochter zogen sich zum Kamin zurück und gaben mir deutlich zu verstehen, daß ich gehen möge. Ich fand Mr. Henry in seinem gewöhnlichen Zufluchtsort, dem Verwalterzimmer, er hockte am Ende des Tisches und stieß sein Taschenmesser in sehr übler Laune in die Platte.
»Mr. Henry«, sagte ich, »Sie tun sich selbst unrecht, und es ist Zeit, daß das aufhört.«
»Ach«, rief er, »niemand kümmert sich hier darum, sie halten das alle für natürlich. Ich habe schändliche Neigungen, ich bin ein geiziger Hund«, und er stieß das Messer bis zum Heft in den Tisch, »aber ich werde diesem Burschen zeigen«, rief er unter Flüchen aus, »ich werde ihm zeigen, wer großherziger ist!«
»Das ist keine Großherzigkeit«, sagte ich, »das ist nur Stolz.«
»Meinen Sie, daß ich moralische Belehrungen wünsche?« fragte er.
Ich glaubte, daß er Hilfe brauche, und die wollte ich ihm verschaffen, auch gegen seinen Willen, und kaum hatte Mrs. Henry ihr Zimmer aufgesucht, als ich zur Tür ging und um Einlaß bat.
Sie war sichtlich erstaunt. »Was wollen Sie von mir, Mr. Mackellar?« fragte sie.
»Gott weiß, gnädige Frau«, sagte ich, »daß ich mir niemals eine Freiheit Ihnen gegenüber herausgenommen
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