Der Junker von Ballantrae
drei Jahre bis zum Januar des laufenden Jahres erstreckt, zwischen dem genannten Junker von Ballantrae und ..., Unterstaatssekretär.Siebenundzwanzig im ganzen. Anmerkung: Unter des Junkers Papieren aufgefunden.
*
Obgleich ich durch Nachtwachen und Seelenqualen erschöpft war, war es mir unmöglich, Schlaf zu finden. Die ganze Nacht wanderte ich in meinem Zimmer auf und ab, sann nach, was der Erfolg sein werde, und bedauerte manchmal die Verwegenheit meiner Einmischung in diese privaten Angelegenheiten. Beim ersten Morgengrauen war ich an der Tür des Krankenzimmers. Mrs. Henry hatte die Fensterläden und auch das Fenster aufgeworfen, denn die Temperatur war milde. Sie blickte unentwegt hinaus, aber es war nichts zu sehen als das Blau des Morgens, das zwischen den Bäumen herauskroch. Beim Geräusch meiner Schritte wandte sie mir nicht einmal das Gesicht zu, ein Umstand, aus dem ich viel Schlimmes schloß.
»Gnädige Frau«, begann ich, und dann wieder: »Gnädige Frau«, aber weiter gelangte ich nicht. Auch kam mir Mrs. Henry mit keinem Wort zu Hilfe. Nun begann ich die Papiere zusammenzunehmen, die auf dem Tisch verstreut lagen, und sofort bemerkte ich, daß sie zusammengeschmolzen waren. Ich überflog sie ein- und zweimal, aber nirgend war die Korrespondenz mit dem Staatssekretär, auf die ich für die Zukunft so stark gerechnet hatte, aufzufinden. Ich blickte in den Kamin: zwischen der glühenden Asche flatterten schwarze Fetzen im Luftzug, und nun verflog meine Zaghaftigkeit.
»Großer Gott, gnädige Frau!« rief ich, mit einerStimme, die sich für ein Krankenzimmer nicht schickte, »großer Gott, gnädige Frau, was haben Sie mit den Papieren angestellt?«
»Ich habe sie verbrannt«, sagte Mrs. Henry und wandte sich um. »Es ist genug, es ist übergenug, daß Sie und ich sie gesehen haben.«
»Eine nette Arbeit, die Sie in dieser Nacht verrichtet haben!« rief ich aus. »Und alles, um den Ruf eines Mannes zu schützen, der sein Brot verzehrte, wenn er das Blut seiner Kameraden vergoß, wie ich esse, wenn ich Tinte vergieße.«
»Um den Ruf der Familie zu schützen, deren Diener Sie sind, Mr. Mackellar«, entgegnete sie, »und für die Sie stets so viel getan haben.«
»Eine Familie«, rief ich aus, »der ich nicht länger dienen will, denn man treibt mich zur Verzweiflung. Sie haben mir das Schwert aus den Händen geschlagen, Sie haben uns alle der Verteidigung beraubt. Diese Briefe hätte ich stets über seinem Haupte schütteln können, und nun – was soll jetzt geschehen? Unsere Lage ist so schief, daß wir nicht wagen dürfen, diesem Menschen die Tür zu weisen, das Land ringsum würde sich aufbäumen gegen uns! Diese einzige Waffe besaß ich gegen ihn, und nun ist sie verloren, nun kann er morgen zurückkehren, und wir müssen alle mit ihm bei Tisch sitzen, auf der Terrasse mit ihm spazierengehen, mit ihm Karten spielen und alles tun, um seine Langeweile zu zerstreuen! Nein, gnädige Frau! Gott verzeihe Ihnen, wenn er es in seinem Herzen vermag, ich kann es nicht.«
»Ich wundere mich, daß Sie so einfältig sind, Mr. Mackellar«, sagte Mrs. Henry. »Welchen Wert legt dieser Mensch auf seinen Ruf? Aber er weiß, wie hoch wir den unseren schätzen, er weiß, daß wir eher sterben würden, als diese Briefe zu veröffentlichen. Und glauben Sie, daß er sich diese Erkenntnis nicht zunutze machen würde? Was Sie Ihr Schwert nennen, Mr. Mackellar, und was zweifellos gegen jeden Mann, der einen Rest Ehrgefühl besitzt, eine Waffe gewesen wäre, würde gegen ihn nur einen Papiersäbel bedeutet haben. Er hätte Ihnen ins Gesicht gelacht bei einer solchen Drohung. Seine Würdelosigkeit ist seine Stärke, man kämpft vergeblich gegen derartige Charaktere.«
Den letzten Satz rief sie ein wenig verzweifelt aus, und dann sagte sie mit mehr Ruhe: »Nein, Mr. Mackellar, ich habe die ganze Nacht über diese Angelegenheit nachgedacht, es gibt keinen Ausweg. Schriftstücke oder keine Schriftstücke, die Tür dieses Hauses steht offen für ihn, er ist in Wahrheit der rechtmäßige Erbe. Wenn wir versuchten ihn fernzuhalten, würde sich alles gegen den armen Henry auflehnen, und ich würde von neuem zusehen müssen, wie er auf offener Straße gesteinigt wird. Ach, wenn Henry stirbt, liegen die Dinge anders. Sie haben den Besitz aus eigennützigen Absichten aufgeteilt. Das Erbe geht an meine Tochter, und ich will den sehen, der einen Fuß darauf setzt. Aber wenn Mr. Henry am Leben bleibt, mein armer Mr. Mackellar, und
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