Der Junker von Ballantrae
Hartnäckigkeit. Der Traum lag wie eine Last auf mir, aber jetzt, da ich ihn in einfachenWorten und bei Tageslicht erzählt habe, scheint er mir keine große Bedeutung zu besitzen. – Ich weiß es nicht, antwortete der Baron, in manchen Einzelheiten ist er sonderbar. Eine Offenbarung, sagten Sie? Ach, es ist ein alberner Traum, eine Geschichte, die unsere Freunde erheitern wird. – Ich bin nicht ganz so sicher, ich fühle einige Beklemmung. Wir wollen ihn lieber vergessen. – Nun gut, sagte der Baron. Und tatsächlich sprach man nicht weiter von dem Traum. Einige Tage später schlug der Graf einen Ritt in die Felder vor, dem der Baron, da sie täglich bessere Freunde geworden waren, sehr rasch zustimmte. Auf dem Rückwege nach Rom bog der Graf unmerkbar in einen besonderen Weg ein. Plötzlich hielt er sein Pferd an, schlug die Hände vor die Augen und schrie laut auf. Dann zeigte er sein Gesicht wieder, das nun ganz weiß war, denn er war ein vollendeter Schauspieler, und starrte den Baron an. Was quält Sie? rief der Baron aus, was fehlt Ihnen? – Nichts, antwortete der Graf, es ist nichts, ein Anfall, ich weiß nicht was. Lassen Sie uns nach Rom zurückeilen. – Aber inzwischen hatte der Baron sich umgeblickt und sah an der linken Seite des Weges, als sie sich Rom zuwandten, einen staubigen Seitenpfad mit einem Grabmal auf der einen Seite und einem Garten von immergrünen Bäumen auf der anderen. – Ja, sagte er mit veränderter Stimme, wir wollen so rasch wie möglich nach Rom zurückeilen, ich fürchte, Ihre Gesundheit ist nicht in Ordnung. – Ja, um Gottes willen! rief der Graf schaudernd, zurück nach Rom, und lassen Sie mich zu Bett gehen. – Auf dem Rückwege sprachen siekaum ein Wort, und der Graf, der eigentlich in eine Gesellschaft gehen mußte, legte sich zu Bett und ließ sagen, er habe einen Anfall von Fieber. Am nächsten Tage fand man das Pferd des Barons an die Pinie angebunden, von ihm selbst aber hörte man nichts mehr von dieser Stunde an. – Und nun, war das Mord?« fragte der Junker und brach scharf ab.
»Sind Sie sicher, daß er ein Graf war?« fragte ich.
»Ich bin des Titels nicht ganz sicher«, sagte er, »aber er war ein Edelmann von Familie, und der Herr behüte Sie, Mackellar, vor einem so verschlagenen Feinde.«
Diese letzten Worte sprach er zu mir hinunter, lächelnd, von hoch oben, bei den nächsten war er unter meinen Füßen. Ich fuhr fort, seine Bewegungen mit kindischer Hartnäckigkeit zu verfolgen, sie machten mich schwindlig und wie von Sinnen, und ich sprach wie im Traum.
»Er haßte den Baron mit einem großen Haß?« fragte ich.
»Sein Magen drehte sich um, wenn der Mann sich ihm näherte«, antwortete der Junker.
»Ich habe gleiches empfunden«, sagte ich.
»Wirklich?« rief der Junker aus. »Das ist eine Überraschung! Ich möchte wissen – schmeichle ich mir nur, oder bin ich wirklich die Ursache dieser Magenrevolten?«
Er war durchaus imstande, eine anmutige Haltung einzunehmen, auch wenn niemand ihn sah außer mir, und besonders, wenn Gefahr drohte. Er saß jetzt mit übereinandergeschlagenen Knien, die Arme auf derBrust gekreuzt, und machte die Schwingungen des Schiffes mit ausgezeichneter Balance mit, obgleich das Gewicht einer Feder ihn hätte über Bord stürzen können. In diesem Augenblick hatte ich plötzlich die Vision von meinem Lord, der an einem Tisch saß und den Kopf in die Hände legte, nur waren seine Züge, als er sie mir zeigte, voll von schweren Vorwürfen. Die Worte meines eigenen Gebetes – es wäre männlicher, wenn ich dies Geschöpf niederschlüge – schossen mir gleichzeitig durchs Gehirn. Ich sammelte meine ganze Energie, und als das Schiff sich niedersenkte gegen meinen Feind, stieß ich schnell mit dem Fuß nach ihm. Es stand geschrieben, daß ich die Schuld dieses Anschlages tragen sollte, ohne Vorteil davon zu haben. Ob durch meine Unsicherheit oder durch seine unglaubliche Gewandtheit: er wich dem Stoß aus, sprang auf die Füße und hielt sich sofort an einem Balken fest.
Ich weiß nicht, wieviel Zeit verstrich: ich lag, wo ich war, auf dem Deck, überwältigt von Entsetzen, Gewissensbissen und Schande, er stand, seine Hand am Balken, angelehnt gegen die Schutzwehr und blickte mich mit eigenartig gemischtem Gesichtsausdruck an. Schließlich redete er.
»Mackellar«, sagte er, »ich mache Ihnen keine Vorwürfe, sondern biete Ihnen einen Pakt an. Ich denke, daß Sie Ihrerseits nicht den Wunsch haben, diese Tat in die
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