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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Öffentlichkeit dringen zu lassen. Ich meinerseits gestehe frei, daß ich keine Lust habe, in ständiger Furcht vor der Ermordung durch einen Mann zu leben, mit dem ich zusammen esse. Versprechen Sie mir – abernein«, unterbrach er sich, »Sie sind noch nicht im ruhigen Besitz Ihrer Vernunft, Sie könnten glauben, ich hätte das Versprechen in der Verwirrung aus Ihnen herausgepreßt und möchte nicht, daß eine Hintertür offen bleibt für nachträgliche Bedenken – jene Unehrlichkeit eines ganz Gewissenhaften. Nehmen Sie sich Zeit zum Überlegen.«
    Damit lief er wie ein Wiesel über das glatte Deck und verschwand in der Kabine. Ungefähr eine halbe Stunde später kehrte er zurück, während ich noch so dalag, wie er mich verlassen hatte.
    »Nun«, sagte er, »wollen Sie mir jetzt als Christ und treuer Diener meines Bruders Ihr Wort geben, daß ich Ihre Anschläge nicht mehr zu fürchten habe?«
    »Ich gebe es Ihnen«, antwortete ich.
    »Ich verlange Ihre Hand darauf«, sagte er.
    »Sie haben das Recht, Bedingungen zu stellen«, erwiderte ich, und wir schüttelten uns die Hände.
    Er setzte sich sofort wieder auf denselben Platz und nahm dieselbe gefährliche Haltung wieder ein.
    »Lassen Sie das!« rief ich und verdeckte meine Augen, »ich kann es nicht ertragen, Sie in dieser Haltung zu sehen. Die geringste Unregelmäßigkeit des Seeganges könnte Sie über Bord spülen.«
    »Sie sind höchst widerspruchsvoll«, antwortete er lächelnd, aber er tat, um was ich ihn bat. »Alles in allem, Mackellar, möchte ich Sie wissen lassen, daß Sie vierzig Fuß in meiner Achtung gestiegen sind. Sie glauben, daß ich keinen Preis aussetzen kann für Treue? Warum denn, glauben Sie, schleppe ich Secundra Daß mit mir rund um die Welt? Weil er morgen für mich sterben oder morden würde, und ich liebe ihn deshalb. Sie mögen mich für verrückt halten, aber ich schätze Sie höher seit Ihrer Tat heute nachmittag. Ich glaubte, Sie seien im Zauberbann der Zehn Gebote, aber nein – Gott verdamme meine Seele!« rief er, »die alte Jungfer hat doch Blut in den Adern! Was an der Tatsache nichtsändert«, fuhr er lächelnd fort, »daß Sie gut taten, mir Ihr Versprechen zu geben, denn ich glaube nicht, daß Sie sich in Ihrem neuen Beruf auszeichnen würden.«
    »Ich glaube«, sagte ich, »ich sollte Sie und Gott um Verzeihung bitten für meine Sünde. Auf alle Fälle habe ich mein Wort gegeben und werde es getreulich halten. Aber wenn ich an diejenigen denke, die Sie verfolgen –«, ich hielt inne.
    »Leben ist ein sonderbares Ding«, sagte er, »und die Menschheit ein sonderbares Volk. Sie glauben, daß Sie meinen Bruder lieben. Ich versichere Sie, es ist nur Gewohnheit. Prüfen Sie Ihr Gedächtnis: als Sie zuerst nach Durrisdeer kamen, hielten Sie ihn, wie Sie feststellen werden, für einen langweiligen, gewöhnlichen jungen Mann. Auch heute ist er noch langweilig und gewöhnlich, wenn auch nicht mehr jung. Wären Sie mir statt ihm begegnet, würden Sie heute ebenso bewußt auf meiner Seite stehen.«
    »Ich würde Sie nie gewöhnlich nennen, Mr. Bally«, entgegnete ich, »aber jetzt beweisen Sie, daß Sie langweilig sind. Sie haben soeben bewiesen, daß Sie meinem Wort vertrauen. Das ist ein anderer Ausdruck für Gewissen – und dasselbe Gewissen treibt mich instinktiv von Ihnen fort, wie das Auge zurückschreckt vor grellem Licht.«
    »Aha!« sagte er, »aber ich meine das anders. Ich meine, wenn Sie mich in früher Jugend getroffen hätten. Sie müssen bedenken, daß ich nicht immer so war wie heute, und daß ich nie so geworden wäre, wenn ich einen Freund Ihrer Art gefunden hätte.«
    »Halt, Mr. Bally«, erwiderte ich, »Sie hätten meiner nur gespottet, Sie hätten nie zehn höfliche Worte verschwendet an einen solchen Plattfuß.«
    Aber er war nun so recht im Zuge sich zu rechtfertigen und langweilte mich damit während der ganzen übrigen Reise. Ohne Zweifel hatte es ihm früher Vergnügen bereitet, sich selbst so schwarz wie möglich zu malen, er hatte sich mit seiner Schlechtigkeit gebrüstet und sie wie ein Wappenschild vor sich hergetragen. Auch jetzt war er nicht so unlogisch, irgend etwas aus seinen früheren Bekenntnissen abzustreiten. »Aber nun, da ich weiß, daß Sie ein menschliches Wesen sind«, pflegte er zu sagen, »darf ich mich bemühen, mich Ihnen verständlich zu machen. Ich versichere Sie, auch ich bin Mensch und habe Tugenden wie meine Mitmenschen.« Ich sage, er langweilte mich, denn ich wußte ihm

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