Der Kaffeehaendler - Roman
der Bruder ihres Mannes, und das schien ihr gefährlich genug.
Er starrte sie an. Zuerst dachte sie, sie sähe Ärger, und sie presste sich in ihren Sessel, um sich auf den Schmerz eines scharfen Tadels vorzubereiten, aber sie hatte ihn missdeutet.
Seine Augenbrauen hoben sich leicht, ein kleines Lächeln lag auf seinen Lippen. Sie sah Überraschung, auch Belustigung und vielleicht sogar Entzücken.
»Ich hätte nie gedacht, dass Sie solche Ansichten haben. Haben Sie sie mit Ihrem Gatten erörtert? Es könnte doch sein, dass er ein wenig Lernen gestattet.«
»Ich habe es versucht«, sagte sie, »aber Ihr Bruder wünscht nicht, dass ich über Angelegenheiten spreche, von denen ich nichts weiß. Er fragte, wie ich eine Meinung über etwas haben kann, von dem ich gar nichts verstehe.«
Miguel brach in ein raues Gelächter aus. »An seiner Logik ist nichts auszusetzen.«
Hannah errötete, doch im nächsten Moment wurde ihr klar, dass Miguel sich nicht über sie, sondern über Daniel lustig machte, deshalb fiel sie ein, und gemeinsam lachten sie über ihren Mann.
»Darf ich Sie um einen Gefallen bitten?«, fragte sie und wand sich dann beim Klang ihrer eigenen Worte voller Unbehagen. Sie hatte eigentlich länger warten wollen, ehe sie es erwähnte, aber sie merkte, wie ungeduldig und nervös sie wurde. Am besten brachte sie es rasch hinter sich.
»Selbstverständlich, Senhora.«
»Darf ich noch einmal von dem Kaffee-Tee probieren, den Sie mir zu trinken gegeben haben?« Was sollte sie sonst tun? Sie wagte nicht mehr, von Miguels schwindendem Vorrat zu stehlen, und die Früchte, die sie genommen hatte, hatte sie alle aufgegessen. Außerdem glaubte sie jetzt, da sie wusste, dass es ein Getränk und keine Speise war, nicht mehr, dass es ihr noch so viel Vergnügen machen würde, die Beeren mit den Zähnen zu zermahlen.
Miguel lächelte. »Es wäre mir eine große Freude, so lange Sie meine Bitte um Stillschweigen nicht vergessen.« Dann läutete er, ohne ihre Antwort abzuwarten, nach Annetje, die
schneller erschien, als es jemandem, der Hannahs Truhen durchsucht hatte, möglich gewesen wäre. Sie richtete den Blick auf Hannah, doch Miguel allein sprach mit ihr und erinnerte sie daran, wie das Getränk zubereitet wurde. Als das Mädchen gegangen war, spürte Hannah, wie ihr Gesicht heiß wurde, aber sie war sich nahezu sicher, dass Miguel nichts merkte – oder dass er höchst geschickt darin war, so zu tun, als merkte er nichts, was fast ebenso gut war.
Hannah glühte in der Wärme seiner Aufmerksamkeit. Er lächelte sie an, er suchte ihren Blick; er hörte zu, wenn sie sprach. So wäre es, wenn ich einen Ehemann hätte, der mich liebt, dachte sie. Die Frauen in Theaterstücken stellten es genauso dar, wenn sie mit ihren Geliebten redeten.
Dennoch, sie wusste, dass es bloß ein Tagtraum war. Wie lange konnte sie sich mit ihm unterhalten? Wie lange würde es dauern, bis ein kluger Mann wie Miguel sich von seinen Schulden befreite, in sein eigenes Haus zog und Hannah mit Daniel allein ließ. Nicht ganz allein natürlich. Ihr Kind würde, so Gott wollte, auch da sein, und dieses Kind – ihre Tochter – war ihre Rettung.
»Wenn Sie noch einmal heiraten und Kinder haben würden«, fragte sie, »würden Sie dann Ihren Töchtern das Lernen erlauben?«
»Ich will aufrichtig sein, Senhora, und muss sagen, dass ich noch nie darüber nachgedacht habe. Ich habe stets angenommen, dass Ihr Geschlecht sich nicht fürs Lernen interessiert und sich die Qualen des Studierens gern erspart, aber nun, da Sie mir Gegenteiliges berichten, würde ich die Angelegenheit mit anderen Augen betrachten.«
»Dann sind wir beide einer Meinung.«
Nach seiner Übersiedlung nach Amsterdam war Daniel mit seinen Studien beschäftigt gewesen, hatte die alte Sprache
und die Gebote gelernt, und Hannah wollte es ihm gleichtun. Wenn sie Jüdin war, musste sie wissen, was es bedeutete, Jüdin zu sein. Sie konnte nicht wissen, wie ihr Mann darauf reagieren würde, aber sie hatte gehofft, er würde sich freuen, wenn sie Interesse zeigte. Tagelang überlegte sie, was sie sagen sollte, und spielte im Geiste Gespräche durch. Endlich, in einer Sabbat-Nacht, nachdem sie die Mitzva der ehelichen Pflichten erfüllt hatten, meinte sie, dass ihr schläfriger und übersättigter Mann in empfänglicher Stimmung sein würde.
»Warum werde ich nicht in den Gesetzen unterrichtet, Senhor?«, fragte sie.
Sie hörte, wie sein Atem ein wenig schneller
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