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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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ging.
    »Ich dachte«, fuhr sie fort, kaum lauter als im Flüsterton, »ich könnte vielleicht Hebräisch lernen. Und ich könnte auch lernen, Portugiesisch zu lesen.«
    »Vielleicht kannst du lernen, Stöcke in Schlangen zu verwandeln und die Wasser des Meeres zu teilen«, hatte er erwidert und sich von ihr weggewälzt.
    Hannah lag da und hatte Angst, sich zu bewegen, aber sie knirschte mit den Zähnen vor Wut und Scham. Wahrscheinlich bereute er es, dass er sie so abgefertigt hatte, denn einige Tage später, als er abends nach Hause kam, drückte er ihr zwei silberne Armbänder in die Hand.
    »Du bist eine gute Ehefrau«, sagte er zu ihr, »doch du solltest dir nicht mehr wünschen, als einer Ehefrau zusteht. Lernen ist etwas für Männer.«
     
    »Es kann nicht sein«, sagte sie jetzt zu Miguel, »dass Frauen das Lernen verboten ist, sonst würden die Tudescos es nicht erlauben, denn sie haben dasselbe Gesetz wie wir, oder?«
    »Es ist nicht verboten«, erklärte Miguel. »Ich habe gehört, dass es in der Vergangenheit sogar große Talmud-Gelehrte unter den Damen gab. Manches ist Gesetz, und manches ist
einfach nur Brauch. Es steht geschrieben, dass eine Frau als Richterin berufen werden kann, dass ihre Bescheidenheit sie aber davon abhalten sollte, dem Ruf zu folgen. Doch was ist Bescheidenheit?«, fragte er, als stünde er selbst vor einem Rätsel. »Die Holländerinnen wissen nichts davon, und trotzdem kommen sie sich nicht unbescheiden vor.«
    Nun erschien Annetje mit dem Kaffee. Hannah atmete seinen Duft ein, und bei der Vorstellung, ihn zu trinken, lief ihr das Wasser im Munde zusammen. Mehr noch als den Geschmack liebte sie das Gefühl, das er ihr vermittelte. Wenn sie eine Gelehrte wäre, könnte sie jeden beliebigen Punkt des Gesetzes entwirren. Wäre sie Kaufmann, könnte sie jeden Börsenhändler überlisten. Jetzt hob sie die Schale an die Lippen und kostete die angenehme Bitterkeit, ein Geschmack, der sie, wie ihr auf einmal klar wurde, an Miguel erinnerte. Dies ist der Geschmack von Miguel, sagte sie sich: bitter und einladend.
    Sie wartete darauf, dass Annetje, die ihr immer wieder wissende Blicke zuwarf, das Zimmer verließ, ehe sie erneut das Wort ergriff. »Darf ich fragen, was zwischen Ihnen und dem Ältestenrat vorgefallen ist?«
    Miguel öffnete überrascht den Mund, als hätte sie von etwas Verbotenem gesprochen, aber er wirkte auch erfreut. Vielleicht fand er ihre Kühnheit aufregend. Wie kühn sollte sie sein?
    »Es war nichts von Bedeutung. Sie stellten Fragen über meine Geschäftspartner. Einigen Mitgliedern des Rates gefallen die Leute nicht, mit denen ich Umgang habe, also haben sie als Warnung diesen eintätigen Cherem über mich verhängt. Das sind aber hübsche Fragen von einer so hübschen Frau.«
    Hannah wandte sich ab, damit er nicht sah, dass sie errötete. »Wollen Sie damit sagen, dass eine Frau derartige Fragen nicht stellen sollte?«

    »Ganz und gar nicht. Ich habe Vergnügen an wissbegierigen Frauen.«
    »Vielleicht«, meinte sie, »haben Sie ebensolches Vergnügen daran, dem Rat die Stirn zu bieten.«
    Miguel lächelte freundlich. »Sie haben wahrscheinlich Recht, Senhora. Ich war nie sehr autoritätsgläubig und sehe es gern, wenn die Autorität eines Ehemannes oder die des Ma’a-mad herausgefordert wird.«
    Hannah spürte, dass sie wieder rot wurde, hielt aber trotzdem seinem Blick stand. »Als Sie verheiratet waren«, fragte sie, »haben Sie es da auch gern gesehen, wenn Ihre Frau Sie herausgefordert hat?«
    Er lachte. »Meistens«, sagte er. »Wenn ich ehrlich sein soll, muss ich zugeben, dass ich ebenso wie jeder andere Mann dazu neige, es mir in meiner Autorität bequem zu machen. Das ist jedoch kein Grund, mein Tun nicht in Frage zu stellen. Ich hätte dem Beispiel meines Vaters folgen und darauf verzichten können, die Lebensweise unserer Rasse zu studieren, wenn ich nicht so gedacht hätte, aber das liebe ich an den Lehren der Rabbis am meisten. Alles muss in Frage gestellt und erörtert, von allen Seiten betrachtet, untersucht und beleuchtet werden. Das vergessen die Parnassim und Männer wie – nun, wie viele Männer, die ich kenne. Sie wollen die Dinge immer so sehen, wie sie sind, und fragen nicht danach, wie sie sein könnten.«
    »Und ist das der Grund – Ihre Freude an der Herausforderung – dafür, dass Sie vom Ma’amad vorgeladen wurden? Mein Mann hat mir erzählt, Sie hätten das Heilige Gesetz verunglimpft.«
    »Wie ich schon sagte, Senhora, es

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